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Wer häufig in Konflikten oder immer wiederkehrenden Schwierigkeiten steckt, erhält früher oder später den Tipp, doch einmal eine „Aufstellungsarbeit“ zu machen bzw. „sein Thema“ einmal professionell aufstellen zu lassen. Auch innerhalb von Unternehmen spielen systemische oder Organisationsaufstellungen immer häufiger eine Rolle. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Was ist Aufstellungsarbeit, was bringt so etwas und wofür ist sie geeignet?
Inhaltsverzeichnis
Aufstellungsarbeit oder „Aufstellung“ ist ein Sammelbegriff für Methoden, bei denen die Mitglieder eines Systems (Familie, Organisation, Unternehmen) einzeln positioniert (= aufgestellt) und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dadurch können Zusammenhänge innerhalb des Systems visualisiert und wiederkehrende Muster und Beziehungskonstellationen transparent gemacht werden. Dies geschieht u.a. durch Perspektivenwechsel und über die Art und Weise, wie die Beteiligten räumlich und in Beziehung zu den anderen Mitgliedern positioniert sind. So werden bei einer Familienaufstellung beispielsweise die einzelnen Familienmitglieder aufgestellt, bei Organisationsaufstellungen die Mitarbeiter einer Organisation/eines Unternehmens. Auch abstrakte Komponenten (z.B. eine Krankheit, ein Symptom, Finanzen etc.) können als Element aufgestellt werden. Aufstellen heißt in dem Zusammenhang, dass für jede im System wichtige Person ein Platz reserviert ist, auf dem sie repräsentiert wird. Hervorzuheben ist, dass nicht die (Familien- oder Unternehmens-) Mitglieder selbst anwesend sind, um aufgestellt zu werden: sie werden durch Stellvertreter repräsentiert, die ihre Position einnehmen. Dabei erhält die Beziehung zwischen den einzelnen Beteiligten besondere Aufmerksamkeit: Wie nah stehen die einzelnen Personen beieinander, sind sie einander zugewandt oder abgewandt, wer steht im Weg, wer versperrt anderen die Sicht, wer steht abseits, wo gibt es Allianzen? Etc. Aufstellungen können mit echten Personen durchgeführt werden, die jeweils als Stellvertreter ein beteiligtes Mitglied verkörpern oder auch mit Hilfe von Figuren oder Symbolen, die auf dem Tisch, Fußboden oder auf einem Systembrett positioniert werden. Auch wenn die einzelnen Mitglieder durch Personen verkörpert werden, handelt es sich dabei nicht um ein Rollenspiel.
Aufstellung ist nicht gleich Aufstellung, es gibt einige Unterschiede, je nachdem, um welche Art es sich handelt. So können Aufstellungen in einer Gruppe mit echten Personen erfolgen oder auf einem sogenannten Systembrett (mit Figuren und Symbolen) stattfinden. Folgender Ablauf ist jedoch in vielen Aufstellungen vorzufinden. Die Anleitung der Aufstellung wird dabei vom systemischen Coach oder Therapeuten durchgeführt. Der geschilderte Ablauf gilt für eine Aufstellung in einer Gruppe.
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Die jeweiligen Repräsentanten schlüpfen in die Position der Person, die sie verkörpern. Sie spielen dabei jedoch keine Rolle, schauspielern also nicht, sondern verkörpern während der Zeit die entsprechende Person. Sie werden meist nach ihren Wahrnehmungen befragt und können aus ihrer Perspektive frei äußern, was in ihnen vorgeht, etwa „die Person links neben mir ist mir zu nah“ oder „Person A versperrt mir den Blick auf Person B“. Auch wenn sie in ihrer Position momentan gar nichts fühlen oder wahrnehmen, können sie dies äußern. Oft ergeben sich daraus schon Erkenntnisse für den Klienten, der seine Thematik aufgestellt hat. Die Schilderung des Themas aus den verschiedensten Perspektiven bringt bereits wertvolle Erkenntnisse mit sich. Interessant ist es, dass die Stellvertreter manchmal Dinge wissen, die sie als ursprünglich neutrale Teilnehmer gar nicht wissen können, z.B. sie spüren, dass jemand fehlt oder andere Mitglieder eine Beziehung zueinander haben. Sie fühlen wirklich so, als seien sie die Oma, der Onkel oder der Bruder des Klienten und agieren meistens auch so. Zudem bilden wir ohnehin die Beziehungen zwischen Menschen in irgendeiner Form in unserem Gehirn ab und codieren dies für uns. So steht beispielsweise der Chef in irgendeiner Form „über uns“, oder ein Kollege „sitzt uns im Rücken“. Eine Aufstellung visualisiert und verdeutlicht das, was wir ohnehin schon ahnen oder wissen, ohne dass uns dies vorher klar war. Ein anderer Erklärungsansatz, wie Aufstellungen funktionieren, liefert die Neurobiologie. Wir verfügen über Spiegelneuronen, was uns zu mitfühlenden Wesen macht. Wir spüren, wie es anderen Menschen geht. Schon als Kinder können wir Signale unserer Eltern auffangen, auch Signale, dass sie über etwas traurig oder entsetzt sind. Dies speichern wir ab und lassen uns davon beeinflussen. Durch eine Aufstellung können wir dieses abgespeicherte, aber aus dem aktiven Bewusstsein verdrängte Wissen wieder ans Licht bringen.
Die Auswirkungen hängen ganz davon ab, welche Erkenntnis aus der Aufstellung gewonnen wird. Beispielsweise kann eine Visualisierung in einem Unternehmen zunächst einmal die Schwachstellen aufzeigen, etwa in der Kommunikation zwischen einzelnen Abteilungen. Eine andere Erkenntnis kann sein, dass manche Mitarbeiter eines Teams nicht miteinander harmonieren und die Teams anders zusammengestellt werden sollten.
Aufstellungsarbeit ist mittlerweile ein Trend geworden. So finden sich neben den etablierten Aufstellungsformen auch viele exotische Begriffe, die mit Aufstellung kombiniert sind. Manchmal handelt es sich dabei nur um eine neue oder modern klingende Bezeichnung für bekannte Methoden, in anderen Fällen um die Kombination zweier Verfahren.
Wenn allgemein von Aufstellungen gesprochen wird, sind meist systemische Aufstellungen gemeint. Eine Aufstellung macht die Beziehungen der einzelnen Elemente innerhalb eines Systems sichtbar. Zu systemischen Aufstellungen zählen Familienaufstellungen, Organisationsaufstellungen und Strukturaufstellungen.
Hier wird die Beziehung zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Familie aufgestellt und visualisiert. Je nach Anliegen und Thematik kann es sich dabei um Mitglieder der Herkunftsfamilie, der Familie des Partners oder die Mitglieder einer Patchwork-Familie sein. Themen für Familienaufstellungen können ungelöste Konflikte, Blockaden, Verstrickungen, chronische Krankheiten etc. sein.
Wird oft mit Familienaufstellung gleichgesetzt. Das Familien-Stellen wurde von Bert Hellinger bekannt gemacht. Das dahinterliegende Weltbild hat starke Bezüge zur Psychoanalyse. Aufstellungen werden als objektive Darstellungsverfahren gesehen. Oft werden hier Lösungen dogmatisch vorgegeben, und gelten als unumstößliche Wahrheiten. (vgl. auch Phänomenologische Aufstellung.)
Bei einer Organisationsaufstellung wird die Struktur und Beziehung innerhalb einer Organisation (eines Unternehmens, einer Abteilung, einer Behörde etc.) visualisiert. Dabei können sowohl einzelne Mitarbeiter und Team-Mitglieder aufgestellt werden als auch ganze Abteilungen (der Vertrieb, der Einkauf, die Verwaltung). Mögliche Themen könnten Konflikte zwischen Abteilungen sein, hohe Kündigungs- oder Krankheitszahlen, schwierige Kundenbeziehungen, hohes Aufkommen von Reklamationen etc.
Bei Systemischen Strukturaufstellungen geht man von der Annahme aus, dass kein System an sich, sondern nur die Struktur eines Systems aufgestellt werden kann. Bei dieser Form des Aufstellens kommen Einflüsse von Hypnotherapie, systemischer Therapie und Familientherapie zum Tragen. Aufgestellt werden unterschiedliche Systeme, z.B. Körpersysteme, Ziele, Entscheidungsstrukturen, Alternativen, Innere Anteile usw. Entwickelt wurde die Systemische Strukturaufstellung (SySt) von Matthias Varga von Kibed und Insa Sparrer.
Integrale Aufstellungsarbeit ist eine Kombination von Systemischer Strukturaufstellungen und dem Integralen Ansatz des Philosophen Ken Wilber (Quadrantenmodell, Spiral Dynamics). Es handelt sich um einen umfassenden und trans-systemischen Prozess, der modernes Expertencoaching und postmodern-systemischen Ansätze transzendiert und integriert. In dieser Form der Aufstellung wird der Klient auf seiner persönlichen Entwicklungsstufe abgeholt.
Hier werden Aufstellungen mit schamanischen Sichtweisen kombiniert. Dies kann sich z.B. darin äußern, dass auch Krafttiere, Pflanzen, Bäume, Orte und die Geister unserer Ahnen mit einfließen und aufgestellt werden. Für Lösungen und neue Kraftquellen wird dabei das ganze Universum genutzt. Häufig wird dies auch als Spirituelle Aufstellungsarbeit bezeichnet.
Hier werden einzelne Persönlichkeitsanteile und Potenziale eines Menschen aufgestellt, wie es sich durch sein Geburtshoroskop zeigt (zum Beispiel auch einzelne Planeten) und miteinander in Beziehung gebracht. Dadurch sollen auch vorhandene Blockaden entdeckt werden.
Der Begriff Autopoiesis (altgriechisch) bezeichnet den Prozess der Selbsterschaffung und -erhaltung eines Systems. Entsprechende Aufstellungsarbeit will die Dynamik von Selbstheilung und Selbstorganisation in einem System anregen und unterstützen. Die Repräsentanten sind aufgefordert, ihre eingenommene Rolle zu gestalten.
Als freie Aufstellungsarbeit bezeichnet man eine Aufstellung, bei der die Person, die ihr Anliegen thematisiert, von Anfang bis Ende Chef der Aufstellung bleibt. Die Aufstellung ist daher frei von Vorgaben durch andere (auch durch einen leitenden Coach) und frei von Begrenzungen. Auch die Teilnehmer/Stellvertreter sind freiwillig dabei und haben jederzeit die Möglichkeit, die Aufstellung wieder zu verlassen, wenn es für sie nicht mehr stimmig ist.
Diese Form der Aufstellung ist stark mit der Person von Bert Hellinger verknüpft. Er bezeichnet sein Vorgehen im Familien-Stellen auch als phänomenologisch. Der Klient ist seiner Ansicht nach in ein größeres Kraftfeld und die Familienseele eingebunden. Nach seiner Überzeugung gilt es, die „Ordnung der Liebe“ wiederherzustellen, eine vom Leben vorgegebene Ordnung, bei der z.B. der Erstgeborene seinen Platz vor dem Zweitgeborenen hat, der Mann Vorrang vor der Frau. Damit die Phänomenologische Wahrnehmung gelingt, soll vor der Aufstellung nur das Nötigste erfragt werden. Ein Vorgespräch oder Auftragsklärung würde diese Wahrnehmung nur erschweren.
Hier handelt es sich um eine Kombination von Aufstellungsarbeit und Psychodrama, einem von Jacob Levy Moreno entwickelten Verfahren (eine Kombination aus Gruppen-Psychotherapie und Improvisationstheater). Die Stellvertreter erhalten einige Informationen über die Person, die sie verkörpern. Zudem führt der Klient, dessen Thema bearbeitet wird, einen Rollentausch mit den aufgestellten Personen durch, d.h. er schlüpft auch in dessen Rolle. Die Aufstellung wird durch weitere psychodramatische Handlungstechniken ergänzt.
Nicht immer sind genügend Stellvertreter verfügbar, wenn ein Klient ein Thema durch eine Aufstellung visualisieren möchte. Daher haben sich auch Methoden etabliert, bei denen die einzelnen Mitglieder/Elemente eines Systems durch Figuren oder Symbole aufgestellt werden. Diese Variante kommt oft im Einzelcoaching zum Einsatz, um eine Thematik zu visualisieren. Als Material, das genutzt werden kann, eignen sich beispielsweise Spielzeugfiguren oder Püppchen, Kuscheltiere, einfache Bauklötze (teilweise mit Gesichtern versehen), Steine und Symbole jeglicher Art, die auf dem Tisch oder dem Fußboden angeordnet werden. Manche Coaches bedienen sich erfolgreich in der Spielzeugkiste ihrer Kinder, was die Qualität der Aufstellung nicht beeinträchtigen muss. Auch Papierkärtchen, die als Bodenanker mit den Namen der jeweiligen Personen versehen werden, können für Aufstellungen genutzt werden. Ein Systembrett ist ebenfalls eine Möglichkeit, mit Hilfe von Holzfiguren und Symbolen auf einem Brett das zu betrachtende System aufzustellen.
Wenn im Coaching ein Thema auftaucht, für das eine Aufstellung sinnvoll scheint, kann mit oben genannten Materialien gearbeitet werden. Auch hier sucht sich der Klient für jede im System wichtige Person eine Figur, ein Bauklötzchen oder ein Symbol aus und positioniert sie intuitiv auf dem Tisch oder Fußboden. Auch für die eigene Person wird eine Figur ausgewählt und positioniert. Natürlich können die Püppchen oder Bauklötze nicht befragt werden. In dem Fall kann der Klient entweder um die Aufstellung herum gehen und die Szene aus den Perspektiven der gestellten Figuren betrachten: haben alle einen guten Blick auf das Ganze oder steht jemand einem anderen im Weg? Gibt es Richtungen, in die jede der Figuren schaut? Blicken sich die Protagonisten gegenseitig an oder aneinander vorbei? Etc. Der Klient kann sich auch mit den jeweiligen Positionen assoziieren und seine Wahrnehmung aus dieser Perspektive äußern. Auch die Sicht aus der Meta-Perspektive auf die aufgestellte Szene bietet oft schon wertvolle Erkenntnisse.
Die Wirksamkeit von Aufstellungen und daraus gewonnene Erkenntnisse lässt sich nicht von der Hand weisen. Dennoch gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Personen, die Aufstellungen anbieten, ebenso eine Vielzahl von unausgereiften Methoden. Nicht jeder, der eine Aufstellung anbietet, ist ausgebildeter Coach oder Therapeut oder hat eine Ausbildung in Psychologie. Es gibt qualitativ sehr große Unterschiede zwischen Aufstellungen. Nicht alles, was spektakuläre Wirkungen hat, dient auch der Lösung von Schwierigkeiten oder der Weiterentwicklung des Klienten. Zudem kann eine Aufstellung, die einen Klienten ratlos zurücklässt, ohne dass eine Nachbearbeitung stattfindet, gefährlich werden. In die Kritik geraten ist Aufstellungsarbeit auch durch Bert Hellinger, der seit Beginn der 1990er Jahre in Großveranstaltungen Live-Aufstellungen auf der Bühne durchführte, mit mehreren Tausend Menschen als Zuschauer. Seine dogmatischen Äußerungen und Interpretationen schränkten die Autonomie der Klienten enorm ein und galten daher ebenfalls als gefährlich. Wer sich für Aufstellungsarbeit interessiert, sollte sich daher den Therapeuten oder Coach, der die Aufstellung durchführt, gut auswählen.
Wer selbst als Coach, als Organisationsentwickler oder im Rahmen von Psychotherapie Aufstellungen anbieten möchte, sollte eine qualifizierte Weiterbildung ins Auge fassen. Welche Ausbildungsrichtung oder welches Institut hier in Frage kommt, hängt nicht zuletzt von der Zielgruppe ab, mit der ein Coach arbeiten möchte.
408 Seiten, Braumüller Verlag (1. Oktober 2012) ISBN 3991000768 Peter Klein, Sigrid Limberg-Strohmaier
456 Seiten, Carl-Auer Verlag GmbH; Auflage: 6., überarb. (23. Juli 2014) ISBN 3896708988 Insa Sparrer
142 Seiten, Wiley-VCH; Auflage: 1. (14. April 2016) ISBN 3527712704 Paul Gamber
176 Seiten, Oekotopia Verlag; Auflage: 1 (13. August 2012) ISBN 386702202X Georg Breiner, Wolfgang Polt
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