Coaching Welt → Wissen → Coaching Methoden → Focusing
Focusing wurde vom amerikanischen Psychotherapeuten Eugene T. Gendlin entwickelt und als Methode erstmals 1978 in seinem Buch „Focusing“ veröffentlicht. In diesem Buch fasste er seine jahrzehntelangen Erfahrungen zusammen. Er hatte entdeckt, dass Menschen, die besonders gut auf Psychotherapie reagierten und gute Erfolge erzielten, sich oft schon in den ersten Sitzungen anders verhielten als der Rest seiner behandelten Klienten. Gendlin beobachtete, dass sie eine ganz persönliche Art hatten, über sich zu reden. Diese Klienten verfügten über eine besondere Art der Selbstwahrnehmung: sie bezogen körperliche Empfindungen mit ein und äußerten sich nicht nur theoretisch über ihre Probleme. Die Focusing-Methode kann als langfristige und regelmäßig genutzte Strategie genutzt werden. Ebenso kann es als rasche psychologische Maßnahme in Stresssituationen, gewissermaßen als erste Hilfe, genutzt werden. Es ist von jedem Menschen erlernbar. Wesentlich bei der Focusing-Methode: der wahre Fachmann ist der Klient selbst, nicht der Therapeut.
Inhaltsverzeichnis
Der Begriff „Focusing“ stammt vom lateinischen Begriff „focus“ und bedeutet Brennpunkt (bzw. Feuerstätte, Herd). Eugene T. Gendlin hatte über die Wirksamkeit von Psychotherapie geforscht und dabei entdeckt, dass dabei weniger die Methode der Therapie etwas über den Behandlungserfolg aussagte, als vielmehr die Art und Weise, WIE ein Klient über sich und seine Situation sprach. Diese Klienten waren in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auf ihr unmittelbares körperliches Erleben zu richten, während sie über ihre Probleme nachdachten und darüber sprachen. Sie bezogen sich während des Sprechens direkt auf die Bedeutung, die ihr Thema für sie hatte. Diese Bezugnahme und innere Beteiligung nannte Gendlin „Focusing“. Weil diese Klienten stärker von der Therapie profitierten als Klienten, die eher sachlich und abstrakt über ihre Probleme redeten, entwickelte Gendlin ein spezielles Training. Er wollte jedem ermöglichen, Focusing bzw. diese Aufmerksamkeit für das eigene innere Erleben zu erlernen. Dadurch konnte man seiner Auffassung nach erkennen, wo das eigene Leben festgefahren und eingeengt ist, sowie ein Gespür dafür entwickeln, welcher Mensch man werden möchte.
Focusing beschränkt sich dabei nicht auf die Wahrnehmung von Gefühlen oder Emotionen, es ist weit mehr als das. Es schließt Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen mit ein. Es ist die Kontaktaufnahme mit einer Form von innerem, körperlichem Bewusstsein. Dieses Bewusstsein ist nicht sofort da, es muss sich erst entwickeln. Oft ist es anfangs verschwommen und unklar. Dieses körperliche Bewusstsein bezeichnete Gendlin als „Felt Sense“. Der Felt Sense kann entstehen, wenn man seine Wahrnehmung auf sein Körperinneres richtet. Er ist die körperliche Wahrnehmung eines konkreten Problems oder einer Situation, bzw. die körperlich gefühlte Bedeutung des Themas. Gendlin kam zu der Erkenntnis, dass der Felt Sense unser Leben zutiefst beeinflusst. Er kann genutzt werden, um persönliche Ziele zu erreichen. Weiterhin beobachte er, dass der Felt Sense in Bewegung gerät und sich verändert, sobald man mit ihm in Berührung kommt. Sobald sich der Felt Sense in einer bestimmten Situation verändert, verändert sich auch der Mensch. Focusing ist an sich ein natürlicher Prozess. Er entsteht dann, wenn man sich seinem inneren Erleben zuwendet und seine Aufmerksamkeit darauf richtet, wo sich der gefühlte Kummer tatsächlich im Körper befindet. Dadurch wird der Prozess in Gang gesetzt, der in einzelnen Schritten abläuft. Er führt schließlich zu einer spürbaren psychischen Veränderung, zusammen mit einer körperlichen Entspannung und einem Gefühl der Erleichterung. Der Klient versteht plötzlich sein zuvor unklares Gefühl und er spürt dies auch. Gendlin nennt dies den „Felt Shift“. Sobald dies eingetreten ist, kann man davon ausgehen, dass Focusing stattgefunden hat. In vielen erfolgreichen Psychotherapie-Sitzungen läuft dieser Prozess meist unbewusst ab.
Kostenlose Webinartermine
18.03.2025, 20:00-22:00 Uhr Einführung in das Enneagramm Informationen und Anmeldung
18.03.2025, 19:30-21:30 Uhr Marketing für Coaches Supervision Informationen und Anmeldung
01.04.2025, 20:00-21:00 Uhr Schatten-Arbeit Informationen und Anmeldung
19.08.2025, 20:00-21:30 Uhr Erwecke den Helden in Dir! Informationen und Anmeldung
09.09.2025, 20:00-21:00 Uhr Resilienz-Webinar Informationen und Anmeldung
Alle Termine >>
Focusing allein ist noch keine Psychotherapie. Es kann aber ergänzend dazu eingesetzt werden und ist eine hervorragende Basis für weiteres Vorgehen. Was im Focusing-Prozess ans Licht kommt, kann durch weitere Therapiemethoden oder durch Coaching weiterbearbeitet werden. Gendlin selbst sieht die Focusing-Therapie eher als Meta-Modell für eine Therapie, in die alles, was Menschen hilft, integriert werden kann, und die deshalb Schulen übergreifend ist. So sind z.B. verschiedene Focusing-Übungen, manchmal in abgewandelter Form, auch in anderen Therapie- oder Coaching-Ansätzen zu finden. Sie werden ergänzend zu Körperarbeit oder Yoga eingesetzt, dienen als Wahrnehmungs- oder Achtsamkeitsübungen, oder ähneln NLP-Ansätzen (z.B. VAKOG-Trance, Reframing, positive Absicht etc.).
Der Focusing-Prozess besteht aus sechs Schritten bzw. aus sechs sogenannten Bewegungen, die erlernt werden können. Wenn diese Schritte erfolgreich ausgeführt werden, findet im Körper der „Felt Shift“ statt, eine physische Veränderung. Danach wird das bearbeitete Thema vom Klienten anders wahrgenommen. Mit jedem Shift verändert sich die Natur des Problems. Die 6 Schritte von Focusing sind:
Ein Focusing-Prozess kann ungefähr 30 - 60 Minuten dauern. Danach macht es Sinn, nachzuspüren, ob gleich ein weiterer Prozess durchgeführt werden sollte oder ob man das Thema lieber an einem anderen Tag weiterbearbeiten möchte. Erfahrene Focuser (= Anwender von Focusing) können auch zwischendurch kürzere Prozesse durchführen, z.B. um Wartezeiten sinnvoll zu nutzen.
Der Begriff lässt sich nicht adäquat ins Deutsche übersetzen, Gendlin wollte das auch gar nicht. Er hatte Felt Sense als Kunstwort erfunden, da es keine andere umfassende Beschreibung für das gab, was dieses Gesamtgefühl ausmacht. Es bezeichnet das unkonkrete, körperliche Erleben, aus dem Bilder, Gefühle und Worte entstehen, einfach alles, was mit dem Thema zu tun hat. Das können auch Bedeutungen, Erfahrungen und Werte sein. Gendlin bezeichnete den Felt Sense manchmal synonym mit „soft underbelly“, einen „weichen Unterbauch“. Stell dir z.B. einmal ein positives Wort wie „Sonne“ oder „Urlaub“ vor, lass es dir buchstäblich auf der Zunge zergehen und dein Gefühl Richtung Unterbauch gleiten. Dann wird dies deutlich spürbar.
Der Felt Shift ist die Veränderung des Felt Sense, er tritt im Lauf eines Focusing-Prozesses ein und bezeichnet eine gefühlte körperliche Erleichterung, so als würde dem Klienten ein Stein vom Herzen fallen. Sie geht mit dem tieferen Verständnis für ein bislang unklares Gefühl einher, der Klient hat also eine neue und befreiende Einsicht. Nicht nur bei Problemen, sondern auch im kreativen Prozess führt das Auftreten eines Felt Shift zu neuen Erkenntnissen. Focusing kann daher auch im Bereich Kreativität genutzt werden.
Der Body Shift tritt ein, wenn eine tiefgreifende Veränderung durch den Focusing-Prozess ausgelöst wird. Es handelt sich dabei um ein bestimmtes, physisches Gefühl der Veränderung, ein unmissverständliches körperliches Erlebnis. Sobald man es einmal erlebt hat, wird man es immer wieder erkennen. Dadurch kann jemand selbst beurteilen, ob eine Veränderung stattgefunden hat oder nicht. Ein Body Shift ist dadurch gekennzeichnet, dass der Klient der Lösung eines Problems plötzlich viel näher ist, als vielleicht vorher in mehreren Sitzungen. Nach jedem neuen Body Shift sieht das Problem / das Thema wieder ganz anders aus. Es macht daher keinen Sinn, an dieser Stelle nochmals auf das anfänglich genannte Thema einzugehen, da es sich inzwischen anders darstellt. Manchmal werden Felt Shift und Body Shift in einiger Literatur auch synonym verwendet bzw. nicht klar voneinander abgegrenzt. Oft ist nur von Shift die Rede. Dabei wird Felt Shift häufig als spürbare, wenn auch manchmal kleine Veränderung beschrieben, und Body Shift als grundlegende Erkenntnis, dass eine Veränderung stattgefunden hat.
Schaffe deinen inneren Freiraum – der Gute Ort In dieser Übung geht es darum, einen inneren Freiraum zu schaffen und einen „Guten Ort“ zu finden. Dies ist der Einstieg für jede Art von Problemlösung oder einem kreativen Prozess, er hilft, Distanz zu schaffen, wenn wir festgefahren sind oder tief in einem Problem stecken.
Focusing: Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme
224 Seiten, Rowohlt; Auflage: 11 (2012) ISBN 349960521X Eugene T. Gendlin
Im Dialog mit dem Körper: Wie Sie mit Achtsamkeit Krankheitssymptome entschlüsseln und heilen
192 Seiten, Kösel-Verlag; Auflage: 2 (31. März 2014) ISBN 3466310008 Susanne Kersig
Dein Körper sagt dir, wer du werden kannst. Focusing - Weg der inneren Achtsamkeit (Herder Spektrum)
192 Seiten, Verlag Herder GmbH; Auflage: 1. (14. Juli 2017) ISBN 3451069458 Klaus Renn
Focusing - Der Stimme des Körpers folgen: Anleitungen und Übungen zur Selbsterfahrung
160 Seiten, Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 14 (2. Mai 1997) ISBN 3499603535 Ann Weiser Cornell
Focusing: Die Sprache der Intuition (essentials)
56 Seiten, Springer; Auflage: 2015 (26. Februar 2015) ISBN 3658087536 Diana von Kopp
Focusing zum Ausprobieren: Eine Einführung für psychosoziale Berufe (Personzentrierte Beratung & Therapie)
156 Seiten, Ernst Reinhardt Verlag; Auflage: 1. (10. Oktober 2016) ISBN 3497026271 Christine le Coutre
Lesen Sie weiter:
Zurück zum Seitenanfang
© 2024 Landsiedel