Gesprächsführung

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„Das echte Gespräch bedeutet: aus dem Ich heraustreten und an die Tür des Du klopfen.“ — Albert Camus (1913-60), frz. Erzähler u. Dramatiker. Der Begriff Gesprächsführung wird in vielen verschiedenen Kontexten verwendet. Die Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers aus dem Bereich der Psychologie beschreibt, wie ein Therapeut mit seinem Patienten kommunizieren sollte. Dies kann natürlich auch in den Bereich des Coachings übertragen werden – auf die Interaktion des Coaches mit seinem Coachee. Ein weiteres großes Feld, in dem man von Gesprächsführung redet, ist die allgemeine Kommunikationswissenschaft. Diese Wissenschaft befasst sich mit Gesprächen und der Wirkung von Personen in Gesprächen. Schließlich ist Gesprächsführung auch im Business-Kontext ein immer stärker wachsendes Thema.

Da es sich bei den drei eben angesprochenen Feldern um riesige Themengebiete handelt, wird der Fokus in diesem Text auf Gesprächsführung im Coaching gelegt. Zu den anderen Bereichen wird im Anhang auf weiterführende Literatur verwiesen.



Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl G. Rogers

Der Begriff klientenzentriert geht auf den US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl Rogers zurück. Klientenzentriert bezeichnet den Ansatz, bei dem ein Betroffener im Mittelpunkt von den Bemühungen des Coaches steht. Daraus entwickelte sich die Klientenzentrierte Psychotherapie, auch bekannt als nicht-direktive Beratung oder Gesprächspsychotherapie.

Zunächst nannte Rogers die Vorgehensweise auch non-direktiv, weil er die Auffassung vertrat, dass der Therapeut seinen Klienten nicht führen solle. Vielmehr sollte er den Klienten unterstützen, während dieser sich selbst erforscht und selbst den Fortschritt der Therapie bestimmt. Aus dieser Erkenntnis Rogers bildet sich somit auch der zentrale Grundsatz im Coaching, den Klienten sein Problem quasi „selbst lösen zu lassen“.

Die Methode der Gesprächsführung ergibt sich aus dem Menschenbild der klientenzentrierten Gesprächstherapie, welches davon ausgeht, dass der Mensch eine angeborene Selbst-Verwirklichungs und -Aktualisierungstendenz besitze, die, unter günstigen Umständen, für eine Weiterentwicklung und Reifung der Persönlichkeit sorgt. Der Klient trägt, alles zu seiner Heilung Notwendige in sich und sei selbst am besten in der Lage, seine persönliche Situation zu analysieren und Lösungen für seine Probleme zu erarbeiten.

Die hilfesuchende Person mit ihren jeweiligen Gefühlen, Wünschen, Wertvorstellungen und Zielen sollte im Mittelpunkt der therapeutischen Interaktion stehen. Die Sichtweise des Therapeuten sollte dabei weitgehend in den Hintergrund treten, Ratschläge und Bewertungen sind zu vermeiden.

Die klientenzentrierte Gesprächsführung ermöglicht dem Klienten damit durch eigenständige Selbstexploration zu einer höheren Selbstwahrnehmung und Reflexion seiner Gefühlswelt zu gelangen.

Die drei Grundhaltungen

Damit eine psychologisch relevante Veränderung des Selbstkonzepts einer Person stattfinden kann, müssen vom Therapeuten die drei Grundhaltungen in der Beziehung zum Klienten gelebt werden:


  1. Bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber der Person des Ratsuchenden mit ihren Schwierigkeiten und Eigenheiten. Das Bedürfnis nach bedingungsloser positiver Wertschätzung zählt auch zu den personzentrierten Grundannahmen über die Natur des Menschen. Die bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber dem Klienten kann verschiedene konkrete Interaktionsformen annehmen. So gehört das vorbehaltslose Annehmen des vom Klienten Ausgedrückten dazu, das Ermutigen der ratsuchenden oder leidenden Person ist ebenso eine Grundform des bedingungslosen Wertschätzens wie das Ausdrücken von Solidarität mit dem Klienten.
  2. Empathie: Einfühlsames Verstehen der Welt und der Probleme aus der Sicht des Klienten, und die Fähigkeit, diese Empathie dem Klienten zu kommunizieren. Bei der Empathie als generativem Prinzip von hilfreichen Therapeut-Klient-Interaktionen können verschiedene Formen unterschieden werden. Grundformen der Empathie sind beispielsweise die Wiederholung des Mitgeteilten, die Empathie als Konkretisierung des Gesagten, die Empathie mit Bezug auf das Selbstkonzept des Klienten sowie die Empathie mit Bezug auf das organismische (haltungsprägende) Erleben des Klienten.
  3. Kongruenz in seiner Haltung (Echtheit, Wahrhaftigkeit gegenüber dem Klienten): Offenes Wahrnehmen des eigenen Erlebens als Therapeut oder Berater, der mit dem Klienten in Beziehung steht. Dieses Offen-Sein schließt auch Echtheit in dem Sinn ein, dass Psychotherapeuten und Berater nicht nur als Fachpersonen in Erscheinung treten, sondern auch und besonders als Person sich dem Klienten in der Begegnung zu erkennen geben. Bei der Kongruenz als generativem Prinzip von hilfreichen Therapeut-Klient-Interaktionen können zum Beispiel verschiedene grundsätzliche Echtheitsformen des Therapeuten unterschieden werden. Echtheit im Sinne von Konfrontation mit dem Klienten, Echtheit im Sinne von Klärung des Beziehungsgehaltes mit dem Klienten und Echtheit/Kongruenz im Sinne einer Selbstmitteilung des Therapeutenerlebens gegenüber dem Klienten.

Die Wirkung von personzentrierter Psychotherapie und Beratung basiert in erster Linie auf der Umsetzung dieser drei Grundhaltungen. Sie prägt die Beziehung zum Klienten, der sich dank dessen seiner eigenen Person zunehmend wertschätzend, empathisch und kongruent zuwenden kann. Die jeweils konkrete personzentrierte Interaktion, welche von diesen Grundhaltungen geprägt ist, hat stets zum Ziel, die Inkongruenz der ratsuchenden Person zu reduzieren. Die konkrete Umsetzung dieser Haltungen ist jedes Mal auf den Klienten abzustimmen und ergibt zwangsläufig einen je eigenen, personzentrierten Prozess. Die Wirkung liegt nicht im theoretischen und diagnostischen Experten-Wissen über Klienten oder in der Anwendung therapeutischer Techniken.

Drei weitere Bedingungen

Zusätzlich zu diesen sogenannten therapeutischen Grundhaltungen stellte Rogers drei weitere Bedingungen für eine erfolgreiche Klienten-Therapeuten-Beziehung auf:


  1. Es besteht ein psychologischer Kontakt zwischen Klient und Therapeut.
  2. Eine der beiden Personen (der Klient) befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz.
  3. Das therapeutische Angebot der Grundhaltungen (1–3) muss vom Klienten zumindest im Ansatz wahrgenommen werden können.

Wenn alle sechs Bedingungen erfüllt sind, ist psychotherapeutische Veränderung möglich.

Gesprächsführung im Coaching

Im Bereich der Gesprächsführung steht die bewusste Wahrnehmung der eigenen Worte im Mittelpunkt. Drücke ich wirklich das aus, was ich vermitteln möchte? Werde ich von meinem Gegenüber so verstanden, wie ich es meine? Merke ich überhaupt, wenn es zu Missverständnissen kommt oder verwende ich darauf kein Augenmerk und fahre unbeirrt fort?

Ziel des Coaches ist es also, seiner Worte bewusst zu sein und seinem Klienten die Fragen zu stellen die ihn selbst auf die Lösung seines Problems bringen. Deshalb wird auch oft von der lösungsorientierten Gesprächsführung gesprochen. Es wird nach den Grundsätzen von Carl Rogers gearbeitet. Das heißt, der Klient hat alle Ressourcen, die er braucht, um sein Problem zu lösen. Er selber ist der Experte, die Rolle des Coaches ist ihn mit Hilfe der richtigen Gesprächsführung zu seinem Ziel zu begleiten.

  • Mit dem Akzeptieren der Expertise des Klienten geht die durch Rogers postulierte bedingungslose Wertschätzung einher. Diese ist bei der Schilderung des Problems durch den Klienten essenziell. Egal um was für ein Problem es sich handelt, es sollte nicht über die Sinnhaftigkeit diskutiert werden.
  • Ein weiterer Punkt, welcher das ganze Gespräch lang beachtet werden sollte, ist das Einhalten eines positiven Fokus. Damit der Coachee auf dem richtigen Weg bleibt ist es von großem Vorteil, wenn der Coach ihn dahingehend ermutigt und die Positivität der rote Faden des Gesprächs ist. So bleibt der Klient motiviert auf seinem Lösungsweg, auch wenn es mal Rückschläge zu verzeichnen gibt. Zusätzlich ist es fördernd für den Lösungsweg, wenn der Klient das Gefühl hat, dass der Coach der Richtige für seine Fragestellung ist. Dieses Gefühl bekommt er durch die Wertschätzung und den positiven Fokus.
  • Damit der Klient sich nicht in seinem Problem verrennt, ist es dem Coach möglich, den Prozess durch aktives Zuhören zu steuern. Das bedeutet, er sollte darstellen, dass er die Aussagen des Coachee zur Kenntnis nimmt. Außerdem kann er mit Hilfe des Paraphrasierens das Gesagte des Klienten wiederholen oder aber, indem er Überschriften setzt, dem Klienten seine Worte visualisieren.

Sobald die Maßnahmenbildung abgeschlossen ist, also die nächsten Schritte in Richtung Ziel definiert sind, neigt sich das Coaching dem Ende entgegen. In einem gemeinsamen Rückblick sollten nun die Veränderungen und Ergebnisse zusammengefasst werden. Auch sollte der Coachingprozess auf einer Metaebene evaluiert werden. Der Coach erhält so ein Feedback und kann hieraus Schlussfolgerungen für seine künftige Arbeit ziehen.

Literaturempfehlungen

Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 1

320 Seiten, Rowohlt Taschenbuch; Auflage: 48 (April 2010)
ASIN 3499174898

Friedemann Schulz von Thun

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Die Macht der Rhetorik: Besser reden – mehr erreichen

Die Macht der Rhetorik

320 Seiten, Redline Verlag (12. März 2018)
ISBN 386881700X

Roman Braun

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Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse

Das Harvard-Konzept

336 Seiten, Deutsche Verlags-Anstalt (20. August 2018)
ISBN 3421048282

Roger Fisher, William Ury, Bruce Patton

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