Psychotherapie

Therapie vs. Coaching
Therapie oder Coaching? (Pixabay: © Hans van Woerkom)
Lesezeit: 10 Minuten

Psychotherapie und Coaching sind beide geeignet Menschen zu unterstützen, wenn sie in seelische Notlagen geraten. Doch es ist wichtig die genauen Definition von Psychotherapie zu kennen sowie die gesetzlichen Regelungen. Gerade in Deutschland gibt es exakte Vorschriften für die Tätigkeit als Psychotherapeut und eine Abgrenzung zum Coach.

Auf dieser Seite erfahren Sie, was in den Bereich Psychotherapie fällt und welche juristischen Vorschriften zu beachten sind. Sie erhalten außerdem einen Überblick zu den wichtigsten Therapieverfahren und deren Grundlagen. Abschließend erfahren Sie noch n welchen Bereichen Sie im Coaching arbeiten können, wenn Sie keine Qualifikation als Psychotherapeut haben.



Psychotherapie Definition

Der Begriff Psychotherapie ist abgeleitet von altgriechischen Worten „psyche“ für Seele, Atem, Hauch und „therapeuein“ für pflegen oder sorgen bzw. „therapeia“ für Heilung. Es geht bei der Psychotherapie also um die Pflege oder Heilung der Seele.

Dies umfasst sowohl die praktische therapeutische Tätigkeit als auch die theoretische, d.h. wissenschaftliche Grundlagen zur Heilung zu der die Psychologie, Psychiatrie und Biologie gehören. Psychotherapie hat das Ziel Krankheitssymptome zu lindern oder zu heilen.

Wer darf sich Psychotherapeut nennen?

Psychotherapeutin
Psychotherapeutin (Pixabay: © Clayton)

Die Tätigkeit als Psychotherapeutin und Psychotherapeut für Erwachsene darf nach der gesetzlichen Regelung in Deutschland (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) nur ausgeübt werden von

  • Approbierten Ärzten mit der zusätzlicher Psychotherapie Weiterbildung „ärztliche Psychotherapeuten“
  • Fachärzten für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie oder Psychotherapie
  • Psychologischen Psychotherapeuten, d.h. Diplom-/Master Psychologen mit psychotherapeutischer Weiterbildung und Approbation
  • Heilpraktikern für Psychotherapie mit psychotherapeutischer Ausbildung nach dem Heilpraktikergesetz - HPG

bzw. für Kinder und Jugendliche von Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Kostenübernahme durch Krankenkassen

Die Psychotherapie umfasst eine Vielzahl an Methoden. Dazu gehören die

  • Psychoanalyse nach Sigmund Freud
  • Analytische Psychologie nach C.G. Jung
  • Individual Psychologie nach Alfred Adler
  • Gruppenpsychoanalyse nach Joseph H. Pratt, Burrow, Schilder
  • kognitive Verhaltenstherapie nach Ellis, Beck, Kanfer, Lazarus
  • Gesprächspsychotherapie nach Carl R. Rodgers
  • Hypnosepsychotherapie nach Milton Erickson
  • Verhaltenstherapie nach Edward L. Thorndike, John B. Watson und Burrhus F. Skinner
  • Systemische Therapie nach Virginia Satir, Jay Haley und Don D. Jackson

Je nach Richtung (analytisch, tiefenpsychologisch, humanistisch, körperorientiert, etc.) lässt sich diese Liste erweitern.

Von den hier genannten Methoden sind in Deutschland von den Krankenkassen derzeit nur tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die Psychoanalyse (=analytische Psychotherapie) und die Verhaltenstherapie, anerkannt und damit werden die Kosten für die psychologische Behandlung von der Krankenkasse übernommen, sofern hiermit eine Störung oder Krankheiten behandelt werden von einem entsprechend den gesetzlichen Vorgaben qualifizierten Therapeuten/Arzt. In jedem Land gibt es hierfür jedoch unterschiedliche Regelungen.

Die Diagnose und Behandlung von Depressionen, Phobien, Paranoia, Angstzuständen, Magersucht/Bulimie, Suchtkrankheiten (z.B. Alkohol, Drogen), krankhaften Aggressionszuständen und Gewalttätigkeit, Allergien, Traumata, psychosomatischen Leiden und weitere im „Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM 3) und „Internationalen Klassifikation der Krankheiten und Gesundheitsproblemen“ (ICD-10) aufgeführten Krankheiten sind in Deutschland Psychotherapeuten mit den bereits oben genannten Qualifikationen vorbehalten.

Therapeutische Verfahren

In der Psychotherapie als auch im Coaching wird eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden und Verfahren eingesetzt, je nach dem individuellen Krankheitsbild bzw. Problemstellung. Hier finden Sie eine kurze Zusammenfassung der am häufigsten angewendeten Therapieverfahren.

Die Verhaltenstherapie

Begründer der Verhaltenstherapie sind die Psychologen und Therapeuten Edward L. Thorndike, John B. Watson und Burrhus F. Skinner. Dieser Therapieform liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen ihr Verhalten und Ihre Wahrnehmung durch bestimmte Erfahrungen im Laufe Ihres Lebens erlernen. Die Verhaltenstherapie ist gedanken- und handlungsorientiert sowie problembezogen.

Hier wird davon ausgegangen, dass ein Mensch dann eine psychische Krankheit entwickelt, wenn die erlernten Verhaltensmuster für ihn oder seine Umwelt problematisch oder unangemessen sind, d.h. sie verursachen beim Patienten oder den Menschen in seiner Umgebung einen Leidensdruck.

Beispielsweise erlebt ein Patient, dass Freunde in seiner Umgebung nach dem Konsum von Alkohol in besserer Stimmung sind. Daraus entsteht sein Wunsch ebenfalls in eine positive Stimmung zu kommen und sein Alkoholkonsum steigt. Über einen längeren Zeitraum entwickelt der Patient so eine Alkoholsucht. Er wird abhängig vom Alkohol mit negativen Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand (Leberschädigung, Gewichstabnahme, etc.), auf seine Konzentrationsfähigkeit und wahrscheinlich auch auf seine berufliches Umfeld.

In der Verhaltenstherapie erarbeitet der Therapeut zusammen mit dem Patienten neue Verhaltens- und Erlebensmuster. Der Therapeut übt mit dem Patienten verschiedener Methoden ein, die er im Alltag umsetzen soll mit dem Ziel, die negativen Verhaltensmuster durch positive zu ersetzen.

Analytische Psychotherapie

Diese Therapie basiert auf der Psychotherapie nach Carl Gustav Jung . Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Varianten dieser Psychotherapieart entwickelt, die jedoch in ihrem Verständnis über die Entstehung einer psychischen Erkrankung größtenteils übereinstimmen.

Ziel der analytischen Psychotherapie ist im geschützten Rahmen eines Therapiegespräches verdrängten Gefühle und Erinnerungen bewusst zu machen, die eine Entwicklung zum gesunden, selbständigen Individuum blockieren. Die Neurosenlehre geht davon aus, dass die Ursachen und Lösungen für gegenwärtige Probleme des Patienten in seinem Unbewussten und in der Vergangenheit zu suchen sind. Daher soll der Patient im Laufe der Therapie die Konflikte von prägenden Entwicklungsphasen erneut durchleben um sie zu verarbeiten. Dies können beispielsweise traumatische Erlebnisse in der Kindheit sein, die nicht verarbeitet werden können und bei ähnlichen Situationen in der Gegenwart zu Blockaden führen.

Ein wichtiger Fokus dieser Arbeit stellt die stufenweise Wahrnehmung von formalen und inhaltlichen Mustern und Beziehungen dar. Häufig werden hierzu beispielsweise die freie Assoziation oder die Traumdeutung als Methoden eingesetzt. Bei der analytischen Psychotherapie sollte der Patient die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Selbstanalyse mitbringen, damit die Therapie erfolgreich sein kann. Der Psychotherapeut verhält sich neutral, um als Projektionsfläche für die Emotionen des Patienten dienen zu können, so kann es sinnvoll sein, dass der Therapeut für den Patienten nicht sichtbar neben ihm sitzt.

Die analytische Psychotherapie ist eine Langzeittherapie und es finden in der Regel 2-3 Therapiesitzungen pro Woche statt entweder als Einzeltherapie oder auch als Gruppentherapie.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Diese Psychotherapieform wird auch psychoanalytisch orientiertes Verfahren genannt. Sie hat sich aus der psychoanalytischen Therapie entwickelt. Das zugrunde liegende Menschenbild sowie das Verständnis der Entstehung psychischer Krankheiten sind ähnlich. Beide Therapieverfahren gehen davon aus, dass den aktuellen Problemen des Patienten ein innerpsychischer Konflikt zugrunde liegt. Allerdings konzentriert sich die Behandlung in der tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie auf die Bearbeitung des so genannten „Zentralen Konflikts“. In der Therapie wird nach einer Basis in der Persönlichkeit oder der Vergangenheit des Patienten gesucht, die die mögliche Ursache für den Konflikt ist und bearbeitet wird.

Ziel ist es, dass der Patient durch Einsichten in Zusammenhänge und Ursachen seiner Probleme, Veränderungen in seinem Erleben oder Verhalten anstrebt. Hierbei wird er vom Psychotherapeuten aktiv unterstützt.

Diese Therapieform kann für das gesamte Spektrum von neurotischen, psychotischen und psychosomatischen Störungen angewendet werden.

Gesprächspsychotherapie

Diese Therapieform nach Carl R. Rodgers gehört zu den humanistischen Ansätzen und konzentriert sich auf den Menschen als Ganzes in seiner Lebensumwelt. Die Gesprächstherapie wird daher auch als „klientenzentriert“ bezeichnet, denn im Zentrum steht nicht nur die Symptomatik oder die Entwicklungsgeschichte des Patienten. Es liegt ein Menschenbild zugrunde, nachdem jeder Mensch im Grunde nach Selbstverwirklichung strebt. Somit trägt er auch die Motivation und den Antrieb in sich, an seinen Problemen zu arbeiten. Die Gesprächspsychotherapie basiert auf drei Variablen, die das Verhalten des Therapeuten beschreiben

  • eine emphatische Haltung gegenüber dem Klienten
  • Echtheit des Psychotherapeuten
  • eine wertungsfreie Akzeptanz des Patienten und seiner Probleme

Der Patient soll sich selbst verstehen und annehmen. Dies wird mit Hilfe einer klientenzentrierten Gesprächsführung erreicht, in welcher der gefühlsmäßigen Bedeutung besondere Beachtung geschenkt wird.

Systemische Therapie

Die systemische Therapie bzw. Familientherapie basiert auf den Ansätzen von Virgina Satir, Jay Haley und Don D. Jackson. Es gibt verschiedene Formen der systemischen Therapie, alle haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Sie betrachten nicht nur den einzelnen Menschen sondern beziehen auch die wichtigsten Bezugspersonen, wie etwa die Familie, sowie die Umgebung des Patienten mit ein. Der Patienten steht also nicht allein im Mittelpunkt der Behandlung, da eine psychische Erkrankung eines einzelnen als ein Symptom für eine Störung im Verhaltens- oder Kommunikationsmuster des umgebenden Systems gesehen wird. Die Familie oder auch das berufliche oder weitere private Umfeld wird also mit in die Betrachtung eingeschlossen.

Der Psychotherapeut wird zuerst versuchen, die Störungen in diesem gesamten System zu identifizieren und dann mit dem Patienten Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Ein Beispiel für eine systemische Intervention ist die paradoxe Verschreibung. Hier wird der Patient aufgefordert, sein problematisches Verhalten, z.B. beleidigende Bemerkungen bei Familientreffen, beizubehalten statt dieses zu bekämpfen. Dem Patienten wird erklärt, dass dies wichtig sei für die Aufrechterhaltung der vorliegenden Familienstrukturen. Dadurch werden die einzelnen Familienmitglieder gezwungen, sich damit auseinander zu setzen, welchen Beitrag sie zu diesem zentralen Problem leisten und wie sie auf dies reagieren wollen. So werden Veränderungen nicht nur beim Patienten sondern auch in seinem Umfeld herbeigeführt.

Hypnosetherapie

Hypnose
Hypnose (Pixabay: © Karin Jordan )

Während die Hypnose in vielen anderen Ländern seit langem eingesetzt wird, ist die Hypnosetherapie in Deutschland ein noch verhältnismäßig junges Therapieverfahren. Bei der Behandlung versetzt der Therapeut den Patienten in einen veränderten Bewusstseinszustand. In diesem Zustand ist der Patient stark fokussiert und blendet alles Unwichtige aus, sodass er sich voll und ganz auf das Thema der Therapie einlassen kann. So ist er empfänglicher für Suggestionen, d.h. der Therapeut kann sein Unterbewusstsein direkt ansprechen und ihn so z.B. bei einer Angststörung zu unterstützen. Weitere häufige Anwendungsgebiete sind Burnout und Depression Behandlung sowie Raucherentwöhnung oder Gewichtsreduktion.

Abgrenzung Psychotherapie - Coaching

Eine klare Abgrenzung zwischen Psychotherapie und Coaching fällt sowohl den Laien als auch Fachleuten schwer. Es ist notwendig sich mit den gesetzlichen Vorgaben genauer auseinander zu setzen. Diese sind im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) und im Heilpraktikergesetz (HPG) zu finden. Außerdem muss eine Unterscheidung zwischen Krankheit und Gesundheit vorgenommen werden.

Grundsätzlich gilt: Je schwerer die persönliche psychosoziale Beeinträchtigung, desto eher ist eine Psychotherapie anstelle eines Coachings angebracht.

Coaching ist keine Heilbehandlung, sondern eine systematische „Hilfe zur Selbsthilfe“. Klienten mit den oben genannten psychischen Problemen, die eine Behandlung benötigen, dürfen nicht von einem Coach ohne eine entsprechende Zusatzqualifikation als Psychologe mit psychotherapeutischer Ausbildung oder Heilpraktiker für Psychotherapie durchgeführt werden. Ansonsten macht sich der Coach nach deutschem Gesetz strafbar. Daher ist vor Beginn des Coachings stets zu klären, ob eine entsprechende Diagnose/Krankheit vorliegt.

In der Praxis ist die Abgrenzung im Einzelfall jedoch nicht immer einfach. Befindet sich ein Klient z.B. in einer niedergeschlagenen Stimmung, weil er sich von seiner Umwelt nicht wertgeschätzt fühlt oder unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet, könnte dieser auch unter einer Depression leiden, die nur von einem Therapeuten diagnostiziert und behandelt werden darf. Oder ist eine Angst vor Spinnen gleich einer Angststörung bzw. „Phobie“ zuzuordnen? Diese Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich bei vielen Themen.

Daher wird Coaches, die im therapeutischen Bereich arbeiten möchten meist empfohlen eine Zusatzqualifikation als Heilpraktiker für Psychotherapie zu erwerben um möglichst alle Bereiche abdecken zu können ohne an juristische Grenzen zu stoßen.

Coaching ist eine Kombination aus persönlicher Beratung und Begleitung sowie unterstützender Problembewältigung. Der Coach ist neutraler Feedbackgeber und Prozessbegleiter. Seine Aufgabe ist es den Klienten dabei zu unterstützen, eigene Lösungen zu entwickeln und diese im Alltag umzusetzen.

Coachings - von Coaches ohne die Qualifizierung nach dem HPG - können unter anderem zu folgenden Themen durchgeführt werden:

In diesen und vielen weiteren Themen führt Coaching zu Lösungsansätzen, um adäquat auf Schwierigkeiten und Hindernisse reagieren zu können. Der Coach unterstützt dabei die Lösungs-Kompetenzen seines Klienten mit der Absicht, die Entwicklung der Persönlichkeit des Coachees gezielt zu fördern. Des Weiteren soll der Klient durch ein Coaching dazu befähigt werden, die im eigenen Einflussbereich stehenden Veränderungspotentiale optimal auszuschöpfen. Daher ist der Bereich Persönlichkeitsentwicklung ein zentrales Thema im Coaching.

Im Coaching wird ein Zugang zu den eigenen Potentialen hergestellt, damit der Klient beispielsweise erfolgreich die eigene Zukunft gestalten oder mit anderen Menschen vertrauensvolle Beziehungen aufbauen kann. Konflikte können durch Coaching konstruktiv gelöst werden und der Klient kann lernen seine Sprache zielgerichtet und lösungsorientiert einsetzen. Auch Versagensängste und Lebenskrisen können überwunden werden.

Nach einem Coaching werden persönlichen Niederlagen oft als Lernerfahrung genutzt um optimistisch den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Diese Fähigkeiten sind in jedem von uns bereits angelegt, aber es fehlt in der Krise oft der klare Blick, der es ermöglicht diese Fähigkeiten zu nutzen.



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