Systemische Ansätze

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Systemische Ansätze betrachten Probleme und Lösungen im Kontext der gesamten Systeme, zu denen sie gehören, sei es in der Therapie, Organisationsentwicklung oder Sozialarbeit. Anstatt isolierte Einzelteile zu fokussieren, analysieren sie die Wechselwirkungen und Beziehungen innerhalb des Systems. Ziel ist es, durch Verständnis und Veränderung dieser Dynamiken nachhaltige Verbesserungen zu erreichen. Diese Herangehensweise fördert ein ganzheitliches Verständnis von Herausforderungen und betont die Bedeutung von Kommunikation und Interdependenz innerhalb des Systems.


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Definition Systemische Ansätze

Systemische Ansätze sind Methoden und Perspektiven, die darauf abzielen, Probleme innerhalb eines Systems durch die Analyse von Interaktionen und Beziehungen zu verstehen und anzugehen. Sie betonen die ganzheitliche Betrachtung von Strukturen, Muster und Dynamiken innerhalb des Systems, um effektive Lösungen zu entwickeln.



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1. Geschichte der systemischen Aufstellungsarbeit

Die systemische Aufstellungsarbeit ist, ähnlich wie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie nach Freud (1913) und die Verhaltenstherapie (ab 1924), Mitte des 20ten Jahrhunderts entstanden. Als erster Vorreiter in diesem Gebiet gilt Nathan Ackerman, welcher 1950 bei der Behandlung von Kindern, welche eine psychische Störung zeigten, die gesamte Familie der Kinder mit einbezog. Auch Virginia Satir, eine bekannte Familientherapeutin, begann ebenfalls um 1950 herum in ihren Sitzungen Familienskulpturen zu bilden.

Mit der konstruktiven Wende (1980) rückte die Gleichsetzung von Familie und System jedoch wieder in den Hintergrund. Da Systeme jedoch auch noch in anderen sozialen Strukturen erkennbar sind, erlebte die Aufstellungsarbeit mit der Entwicklung der Organisationsaufstellung wieder einen Aufschwung.

Bis heute sind Systemaufstellungen in der Gesellschaft bekannt. 2008 wurden die systemische Therapie, welche sich als eine systemische Form der Psychotherapie versteht, für wissenschaftlich anerkannt deklariert.

2. Systemaufstellungen - was ist das überhaupt?

Bei einer Systemaufstellung kommt eine Gruppe mit sich zuvor unbekannten Mitgliedern zusammen. Eines der Mitglieder beschreibt dem Aufsteller sein Problem, an welchem er arbeiten möchte. Daraufhin wird ein Genogramm erstellt. Auf Grundlage dieses Genogramms und der Anweisungen des Klienten werden jetzt den anderen Gruppenmitgliedern für das Problem des Klienten wichtige Personenrollen zugewiesen, welche die Gruppenmitglieder stellvertretend für die echten Personen übernehmen. Nun ordnet der Klient gemeinsam mit dem Coach, Therapeuten oder Berater die stellvertretenden Personen räumlich so an, dass sie seine beschriebene problematische Beziehungsstruktur abbilden.

Jetzt beginnt die eigentliche Aufstellungsarbeit. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass es sich bei einer Systemaufstellung nicht um eine Art Rollenspiel handelt, sondern dass sie das Ziel hat, die reale Problemsituation des Klienten abzubilden und ihm so zeigen zu können, wo Dysfunktionalitäten in seinen Beziehungsstrukturen vorhanden sind.

Mit einer Systemaufstellung ist es möglich, eigentlich jedes zwischenmenschliche System abzubilden. Differenziert wird hier besonders in:

  • Familienaufstellungen
  • Organisationsaufstellungen

Bei einer Familienaufstellung stellen die stellvertretenden Mitglieder der Aufstellungsgruppe die verschiedenen Familienmitglieder der ‚arbeitenden‘ Person dar. Sie entstand um 1971 mit Mara Selvini Palazzoli und der Mailänder Gruppe.

Die Organisationsaufstellung ist im Unterschied zur Familienaufstellung noch relativ neu und wurde erst um 1998 von Kreber und Grochowiak entwickelt. Bei dieser Aufstellungsform wird eine personelle Systemeinheit betrachtet, beispielsweise die Abteilung einer Firma. Sie wird besonders angewendet, wenn Teams sich im Arbeitsablauf selbst im Weg stehen. Auch hier läuft die Aufstellung über Personen aus Fremdsystemen, welche also nicht zum eigentlichen ‚Problem-System‘ dazugehören. Im Unterschied zur klassischen Aufstellung, wo eine stellvertretende Person auch immer nur für eine reale Person steht, kommt es bei der Organisationsaufstellung häufig vor, dass eine Person im stellvertretenden System eine ganze Organisationseinheit oder einen Teamverantwortlichen darstellt.

2.1 Grundannahmen

In der Systematik gibt es verschiedene Grundannahmen, welche während der Arbeit oder allgemein erfüllt sein müssen oder erfüllt werden, um ein funktionierendes System zu erhalten.

  • „Eltern regeln Ihre Beziehung selbst.“
  • „Eltern nehmen Ihre eigenen Lasten von Ihren Kindern zurück.“
  • „Jeder in der Familie hat seinen Platz.“
  • „Hätte einer meiner Vorfahren das Leben nicht weitergegeben, gäbe es mich nicht.“
  • „Das Leben ist ein Geschenk. Für dieses kann ich meinen Vorfahren dankbar sein.“
  • „Energie fließt immer von den Eltern zu den Kindern.“
  • „Eltern geben Energie. Kinder nehmen Energie.“

Ziel der Aufstellungsarbeit ist es, folgenden Zustand zu erreichen: „Ich stehe im Fluss des Lebens.“

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2.2 Genogramme

Genogramme sind in der systemischen Arbeit und heutzutage auch in der Wissenschaft ein gängiges Mittel, verwandtschaftliche Zusammenhänge darzustellen. Ein Genogramm ähnelt in seinen Grundzügen einem Stammbaum, ist jedoch sehr viel ausführlicher und differenzierter. Es bezieht neben der direkten Zeugungsgeschichte der betrachteten Person auch die medizinische Vorgeschichte von Verwandten, Geburtsdaten, Erbkrankheiten, Totgeburten, Karrieredaten, Gewohnheiten und Gefühle der Personen zueinander mit ein. Durch diese Masse an Daten ist ein Genogramm sehr viel aufwendiger zu erstellen als ein klassischer Familienstammbaum. Zu mehr Informationen zum Thema Genogramme klicken Sie hier.

In der systemischen Aufstellungsarbeit werden Genogramme häufig in Zusammenarbeit mit dem Klienten vom Trainer, Berater oder Therapeuten erstellt. Aufgrund ihrer Komplexität sind sie für Außenstehende häufig schwer zu verstehen, geben dem Aufsteller und seinem Klienten jedoch eine Struktur, nach welcher beurteilt werden kann, welche Personen aus dem Genogramm relevant für das in der Aufstellung zu bearbeitende Problem sind.

In einigen Familienaufstellungen werden in das Genogramm nicht nur verwandte Familienmitglieder mit einbezogen, sondern auch für die Lösung des Problems wichtige Freunde und Bekannte der arbeitenden Person. In Organisationsaufstellungen ist das Entwerfen eines Genogramms häufig überflüssig, da viele Organisationen und Unternehmen bereits ein festgelegtes Organigramm haben, welches lediglich etwas weiter ausdifferenziert werden muss.

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3. Systemische Beratung

Systemische Beratung arbeitet mit Personen, die Hilfe bei einem konkreten persönlichen Problem suchen. Wie jede Form der Beratung ist auch die systemische Beratung sach- und personenbezogen. Systemische Beratung arbeitet jedoch im Unterschied zu vielen anderen Formen der Beratung nie defizit-, sondern immer ressourcen- beziehungsweise lösungsorientiert.

Der Begriff systemische Beratung kann jedoch nach Arist von Schlippe auch als Überbegriff für verschiedene Arten der systemischen Aufstellung fungieren. Dabei unterscheidet man in der systemischen Beratung zwischen folgenden verschiedenen Settings:

  • Systemische Therapie
  • Systemisches Coaching
  • Systemische Organisationsberatung
  • Systemische Supervision

Im Folgenden wird besonders auf die systemische Therapie und das systemische Coaching eingegangen.

3.1 Systemische Therapie

Bei der systemischen Therapie handelt es sich um ein seit 2008 als wissenschaftlich anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren. Im Fokus dieser Therapieform steht der soziale Kontext einer psychischen Störung, also die Interaktion zwischen Familienmitgliedern und die Interaktion des Patienten mit der Umwelt. Von besonderer Bedeutung sind in der systemischen Therapie die impliziten Normen eines Systems, welche nach diesem Ansatz häufig als Gründe für die Entstehung von psychischen Störungen angesehen werden.

Bei einer systemischen Therapie ist der Ausgangspunkt der Behandlung immer eine Person mit einem hohen Leidensdruck, welcher bereits einen Störungscharakter eingenommen hat. Die Therapie ist immer auf die persönliche Lebenslage des Klienten bezogen und ist erfahrungs- bzw. erlebnisorientiert. Der größte Unterschied zu den klassischen Therapieformen der Verhaltenstherapie und der tiefenpsychologisch fundierten Psychoanalyse ist, dass auch weitere für den Patienten relevante Charaktere aus seinem sozialen Umfeld mit einbezogen werden.

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3.2 Systemisches Coaching

Ziel eines systemischen Coachings ist es, die Perspektiven des Klienten zu erweitern und ihm neue Handlungsoptionen zu eröffnen. Häufig ist das beschriebene Problem hier durch die Erfüllung einer Aufgabe zu lösen. Aus diesem Grund ist systemisches Coaching häufig auf eine konkrete Aufgabenstellung ausgerichtet und sehr sach- sowie personenbezogen.

Auch systemisches Coaching läuft häufig in den gleichen Phasen ab. Diese ähneln den Phasen im ‚normalen‘ Coaching sehr, haben jedoch andere Bezeichnungen. Im systemischen Coaching spricht man von:

  • Joining: Smalltalk, Kennenlernen
  • Contracting: Was ist das Thema?
  • Exploration: Ist-Situation erfragen über W-Fragen oder Skalierungsfragen
  • Fokussierung: Eingehen auf konkretes Thema, Unterschiede zwischen Ist- und Soll-Situation erfragen, gemeinsam Wirklichkeit konstruieren
  • Entwicklung: Lösungswege finden, möglicherweise ein Perspektivwechsel
  • P A U S E
  • Überprüfen: Nächste Coaching-Sitzung, prüfen, ob Lösungswege funktioniert haben
  • Rekapitulation: Entworfene Struktur vergegenwärtigen und verstärken
  • Abschied: Ende des Coachings

Trotz dem ähnlichen Phasenablauf gibt es verschiedene Formen des systemischen Coachings. Im Folgenden wird eine dieser Formen verkürzt beschrieben.

Der Coach stellt zwei Stühle auf und bittet den Klienten, imaginär auf diesen Stühlen zwei Personen zu platzieren, welche ebenfalls über das Problem des Klienten Bescheid wissen und gegebenenfalls sogar involviert sind. Das könnten beispielsweise der Ehepartner und ein Arbeitskollege sein. Nun nimmt der Klient auf dem ersten Stuhl Platz. Der Coach stellt dem Coachee an dieser Stelle einige Fragen zu der Person, welche sich der Coachee auf diesem Platz vorgestellt hat. Das können beispielsweise Fragen nach dem Namen, Hobbies oder dem Beruf oder der Beziehung zum Klienten sein. Diese Fragen dienen dazu, dass sich der Klient mit der dort imaginär sitzenden Person identifizieren kann. Nun wird der Coachee gebeten, die Problemsituation aus der Sicht der sich auf Stuhl eins befindenden Person zu schildern. Das gleiche Verfahren wird für die zweite Person auf Stuhl zwei wiederholt.

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4. Systemische Interventionen

Systemische Aufstellungsarbeit versucht immer über verschiedene Methoden die Wahrnehmung der Klienten zu stärken, Ressourcen zu aktivieren und eine Lösung für das Problem des Klienten zu finden oder ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Damit ist systemische Aufstellungsarbeit in ihren Zielen sehr zukunftsorientiert. Um diese unterschiedlichen Ziele zu erreichen, gibt es verschiedene Methoden, welche in der systemischen Aufstellungsarbeit als Methoden oder Interventionen bezeichnet werden. Vielleicht kennen Sie bereits einige dieser Methoden aus dem NLP oder anderen Formen der Beratung oder des Coachings.

  • Reframing
  • Time-Line-Arbeit
  • Techniken zur Ressourcenaktivierung
  • Skulpturenarbeit
  • Verschiedenste systemische Fragetechniken
    • Lösungsorientierte Fragen
    • Zirkuläre Fragen
    • Wunderfragen
    • Hypothetische Fragen
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Ausbildung systemisches Coaching

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