Das Phasenmodell nach Tuckman: Eine umfassende Analyse

Lesezeit: 15 Minuten

Das Phasenmodell nach Tuckman, entwickelt von Bruce Tuckman im Jahr 1965, beschreibt die Entwicklungsphasen, die Teams durchlaufen, um eine effektive Zusammenarbeit zu erreichen. Die fünf Phasen – Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning – bieten ein tiefes Verständnis für die Dynamik und Herausforderungen, die Teams während ihrer Zusammenarbeit erleben. Dieser Leitfaden bietet eine detaillierte Analyse der Phasen, ergänzt durch praxisnahe Beispiele und Strategien zur erfolgreichen Bewältigung jeder Phase.

Forming: Die Phase der Teamformation

Die Forming-Phase ist die erste Phase in der Entwicklung eines Teams. Sie tritt ein, wenn ein Team neu gegründet wird oder neue Mitglieder hinzukommen. In dieser Phase stehen folgende Merkmale und Herausforderungen im Vordergrund:

  • Ziel: In der Forming-Phase steht das Kennenlernen im Mittelpunkt. Teammitglieder machen sich mit den Zielen des Teams, den Aufgaben und der Teamstruktur vertraut. Es ist die Zeit, in der erste Beziehungen geknüpft werden und grundlegende Informationen ausgetauscht werden.
  • Verhalten: Die Teammitglieder zeigen sich in der Regel höflich und zurückhaltend. Es gibt oft eine allgemeine Unsicherheit darüber, wie sich die Zusammenarbeit entwickeln wird. Jeder ist bestrebt, einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen, was manchmal zu einer oberflächlichen Kommunikation führt.
  • Herausforderungen: Die Hauptschwierigkeiten bestehen darin, Unsicherheit und mögliche Missverständnisse zu bewältigen. Die Teammitglieder sind noch dabei, ihre Rollen zu finden und zu definieren, was zu einer gewissen Verwirrung führen kann. Das Fehlen von etablierten Normen und Prozessen kann die Effektivität der Zusammenarbeit beeinträchtigen.
  • Strategien zur Unterstützung: Um die Forming-Phase effektiv zu gestalten, ist es wichtig, klare Ziele und Erwartungen zu kommunizieren. Es sollte ein Raum geschaffen werden, in dem Teammitglieder Fragen stellen können und eine offene Kommunikation gefördert wird. Team-Building-Aktivitäten können ebenfalls hilfreich sein, um das Kennenlernen zu erleichtern und eine positive Grundstimmung zu etablieren.

Beispiel aus der Praxis: In einem neuen Projektteam einer Marketingabteilung, das sich mit der Entwicklung einer neuen Kampagne beschäftigt, beginnt die Forming-Phase mit einer Kick-off-Veranstaltung. Hier werden die Teammitglieder vorgestellt, die Ziele des Projekts besprochen und erste Aufgaben verteilt. Der Teamleiter stellt sicher, dass alle Beteiligten ihre Rollen und Verantwortlichkeiten verstehen und ermutigt zu offenen Fragen, um mögliche Unsicherheiten zu klären.

Storming: Die Phase des Konflikts und der Auseinandersetzung

Die Storming-Phase folgt der Forming-Phase und ist geprägt von Konflikten und Spannungen. In dieser Phase kommen die unterschiedlichen Arbeitsstile und Perspektiven der Teammitglieder stärker zum Vorschein:

  • Ziel: In der Storming-Phase versuchen die Teammitglieder, ihre Positionen zu behaupten und ihre unterschiedlichen Ansichten und Arbeitsstile zu harmonisieren. Konflikte können auftreten, da unterschiedliche Ansichten über die Arbeitsweise und die Ziele des Teams aufeinandertreffen.
  • Verhalten: Die Teammitglieder können beginnen, sich gegenseitig zu testen und ihre Meinungen klarer zu vertreten. Es können Machtkämpfe und Konflikte entstehen, die zu einer angespannten Atmosphäre führen können. Die Teammitglieder sind oft weniger zurückhaltend und mehr auf ihre individuellen Interessen fokussiert.
  • Herausforderungen: Die Herausforderung besteht darin, diese Konflikte konstruktiv zu lösen und eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit zu finden. Es ist wichtig, Mechanismen zur Konfliktbewältigung zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Konflikte nicht zu ernsthaften Störungen führen.
  • Strategien zur Unterstützung: Der Einsatz von Mediationstechniken kann hilfreich sein, um Konflikte zu klären und eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel ist. Das Einführen klarer Kommunikationsrichtlinien und die Förderung eines respektvollen Umgangs können ebenfalls dazu beitragen, Konflikte zu minimieren. Führungskräfte sollten proaktiv eingreifen, um konstruktive Diskussionen zu fördern und die Teammitglieder zu unterstützen.

Beispiel aus der Praxis: In einem Software-Entwicklungsteam kommt es zu Konflikten bezüglich der besten Vorgehensweise für die Implementierung neuer Funktionen. Die Teammitglieder haben unterschiedliche Ansichten über die Prioritäten und den Entwicklungsansatz. Der Teamleiter organisiert regelmäßige Meetings, um die unterschiedlichen Meinungen zu besprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Durch offene Diskussionen und das Einbeziehen aller Beteiligten können die Konflikte erfolgreich gelöst und die Teamarbeit verbessert werden.

Norming: Die Phase der Normenbildung und Zusammenarbeit

Nachdem die ersten Konflikte bewältigt wurden, geht das Team in die Norming-Phase über. In dieser Phase beginnen die Teammitglieder, gemeinsame Normen und Werte zu entwickeln und effektiv zusammenzuarbeiten:

  • Ziel: Die Norming-Phase zielt darauf ab, gemeinsame Arbeitsweise und Standards zu etablieren. Teammitglieder beginnen, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen und akzeptieren die Teamstruktur und -prozesse. Die Teamdynamik verbessert sich, und die Zusammenarbeit wird effektiver.
  • Verhalten: In dieser Phase sind die Teammitglieder kooperativer und unterstützen sich gegenseitig. Es herrscht eine größere Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und sich auf die gemeinsamen Ziele zu konzentrieren. Die Kommunikation wird offener und produktiver.
  • Herausforderungen: Auch wenn die Zusammenarbeit besser funktioniert, können immer noch Herausforderungen auftreten, wie z.B. die Aufrechterhaltung des Engagements und das Verhindern von möglichen Rückfällen in alte Verhaltensmuster. Es ist wichtig, dass die Teammitglieder weiterhin auf die gemeinsamen Normen und Standards achten und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.
  • Strategien zur Unterstützung: Um die Norming-Phase zu unterstützen, sollten regelmäßige Team-Meetings abgehalten werden, um den Fortschritt zu besprechen und Anpassungen vorzunehmen. Die Förderung einer positiven Teamkultur und das Feiern von Erfolgen können dazu beitragen, das Engagement aufrechtzuerhalten und die Teamdynamik weiter zu stärken.

Beispiel aus der Praxis: In einem Vertriebsteam werden nach den anfänglichen Konflikten und Missverständnissen regelmäßige Meetings zur Fortschrittsbesprechung eingeführt. Die Teammitglieder beginnen, gemeinsame Verkaufsstrategien zu entwickeln und sich gegenseitig bei der Umsetzung von Verkaufsplänen zu unterstützen. Durch diese Zusammenarbeit und die Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds gelingt es dem Team, die gesetzten Ziele effizient zu erreichen.

Performing: Die Phase der hohen Leistung

In der Performing-Phase erreicht das Team seine höchste Leistungsfähigkeit. Die Teammitglieder arbeiten effizient zusammen und sind in der Lage, hohe Ergebnisse zu erzielen:

  • Ziel: Das Hauptziel in der Performing-Phase ist es, die gesetzten Ziele effektiv zu erreichen und dabei die Stärken des Teams optimal zu nutzen. Die Teammitglieder arbeiten harmonisch zusammen und sind in der Lage, Herausforderungen produktiv zu bewältigen.
  • Verhalten: Das Team zeigt hohe Motivation, Engagement und Leistungsfähigkeit. Die Kommunikation ist offen und direkt, und die Teammitglieder nutzen ihre individuellen Stärken zur Erreichung der gemeinsamen Ziele. Die Teamdynamik ist stabil und effektiv.
  • Herausforderungen: Obwohl das Team in der Performing-Phase sehr produktiv ist, können immer noch Herausforderungen auftreten, wie z.B. die Aufrechterhaltung der Leistung über einen längeren Zeitraum oder das Management von Veränderungen und neuen Anforderungen.
  • Strategien zur Unterstützung: Es ist wichtig, dass das Team weiterhin unterstützt wird, um die hohe Leistung aufrechtzuerhalten. Dazu gehört die kontinuierliche Anerkennung der Leistungen, das Bereitstellen von Ressourcen und Unterstützung sowie das Fördern von Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Beispiel aus der Praxis: Ein Design-Team erreicht in der Performing-Phase ein hohes Niveau der Zusammenarbeit und Kreativität. Die Teammitglieder nutzen ihre individuellen Stärken, um innovative Designlösungen zu entwickeln. Das Team erhält regelmäßig Feedback von Kunden und passt die Designstrategien entsprechend an, um den hohen Leistungsstandard aufrechtzuerhalten und erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen.

Adjourning: Die Phase der Auflösung

Die Adjourning-Phase, auch als "Abschlussphase" bekannt, tritt ein, wenn ein Projekt beendet wird oder ein Team aufgelöst wird. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die Reflexion über die erreichten Ergebnisse und die Vorbereitung auf das Ende der Zusammenarbeit:

  • Ziel: In der Adjourning-Phase steht die Reflexion und Evaluation im Vordergrund. Das Team wertet die Ergebnisse der Zusammenarbeit aus, identifiziert Erfolge und Lernmöglichkeiten und bereitet sich auf die Auflösung des Teams vor.
  • Verhalten: Die Teammitglieder können gemischte Gefühle erleben, wie Stolz auf die erreichten Ergebnisse oder Traurigkeit über das Ende der Zusammenarbeit. Es kann auch ein gewisser Grad an Unsicherheit bezüglich der nächsten Schritte auftreten.
  • Herausforderungen: Die Herausforderung besteht darin, den Übergang und das Ende der Zusammenarbeit reibungslos zu gestalten. Es ist wichtig, die Teammitglieder für ihre Beiträge zu würdigen und einen positiven Abschluss der Zusammenarbeit zu ermöglichen.
  • Strategien zur Unterstützung: Um die Adjourning-Phase zu unterstützen, sollten die Teammitglieder die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen zu reflektieren und Feedback zu geben. Abschiedsveranstaltungen oder Anerkennungen können helfen, den Abschluss positiv zu gestalten. Es ist wichtig, die Teammitglieder auf die nächsten Schritte vorzubereiten und Unterstützung für den Übergang anzubieten.

Beispiel aus der Praxis: Ein Projektteam in einem Forschungslabor hat ein erfolgreiches Forschungsprojekt abgeschlossen. Der Teamleiter organisiert ein Abschlussmeeting, um die Ergebnisse zu präsentieren und die Erfolge zu feiern. Die Teammitglieder haben die Gelegenheit, ihre Erfahrungen zu teilen und Feedback zu geben. Das Team erhält Anerkennung für ihre harte Arbeit und wird auf mögliche zukünftige Projekte vorbereitet.

Zusätzliche Überlegungen und Anwendung des Modells

Das Phasenmodell nach Tuckman bietet wertvolle Einblicke in die Teamdynamik, jedoch gibt es zusätzliche Überlegungen und Anwendungsbereiche:

  • Iterative Phasen: Teams können mehrere Iterationen durch verschiedene Phasen durchlaufen. Ein Team, das ein neues Projekt beginnt, könnte beispielsweise erneut in die Forming-Phase eintreten, auch wenn es bereits eine Norming- oder Performing-Phase durchlaufen hat.
  • Führung: Die Rolle der Führungskraft ist entscheidend für die erfolgreiche Durchquerung der Phasen. Führungskräfte sollten in der Lage sein, die Teammitglieder zu unterstützen, Herausforderungen zu bewältigen und die Teamdynamik zu fördern.
  • Teamgröße: Die Größe des Teams kann die Dynamik und die Phasen beeinflussen. Kleinere Teams können die Phasen schneller durchlaufen, während größere Teams möglicherweise komplexere Herausforderungen haben.
  • Virtuelle Teams: Virtuelle Teams durchlaufen ähnliche Phasen, können jedoch zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf Kommunikation und Teamdynamik haben. Die Anwendung des Phasenmodells auf virtuelle Teams erfordert besondere Aufmerksamkeit auf die virtuelle Kommunikation und Zusammenarbeit.

Fazit

Das Phasenmodell nach Tuckman bietet ein nützliches Rahmenwerk für das Verständnis der Entwicklung von Teams. Jede Phase bringt ihre eigenen Herausforderungen und Chancen mit sich, und die erfolgreiche Navigation durch diese Phasen ist entscheidend für die effektive Zusammenarbeit und Leistung des Teams. Indem Führungskräfte und Teammitglieder die Phasen und ihre Merkmale erkennen und entsprechende Strategien anwenden, können sie die Teamdynamik positiv beeinflussen und die Zusammenarbeit optimieren. Die Anwendung des Modells in verschiedenen Kontexten und Teamgrößen kann dazu beitragen, die Effektivität und den Erfolg von Teams zu maximieren.


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