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Zirkuläre Fragen ermöglichen es, Informationen über das eigene Denken und Verhalten aus der Perspektive anderer Systemmitglieder zu gewinnen. Sie machen die Beziehungen innerhalb von Systemen transparent und können innere Begrenzungen entlarven, die sich ein Systemmitglied auferlegt, indem es vermutet, dass ein anderes in bestimmter Weise auf eine Handlung reagieren würde. Beispiel: "Was denkt er wohl über Dich? Warum glaubst Du, tut er das? Was würde Dein Trainer dazu sagen?"
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"Ein Symptom, ein Problem, eine Krankheit sind keine Dinge, sondern Prozesse, gebildet durch Handlungen und Kommunikationen verschiedener Personen." (Schlippe & Schweitzer 1998, 141) Jedes Verhalten innerhalb eines Systems hat einen Sinn. Dieser Sinn wird in Bezug auf die wechselseitigen Beziehungsmuster innerhalb des Systems verstehbar. Jedes Verhalten ist im sozialen System als kommunikatives Angebot zu sehen. Ziele des zirkulären Befragens in der Therapiesituation sind:
Dazu muss durch die Frageweise des Therapeuten eine Erweiterung der Perspektive oder ein Perspektivenwechsel aller Beteiligten initiiert werden. Der Beobachterstandort soll so verschoben werden, dass der Befragte lediglich über persönliche Mutmaßungen, Beobachtungen und Deutungen zu bestimmten Kommunikationsmustern Anderer und deren Funktionen im System Auskunft gibt. Dies geschieht in deren Beisein, sodass entgegen der gewohnten Benimmregeln, über diejenigen, die sich mit im Raum befinden, "geklatscht" wird.
Person A ist verärgert. Sie könnte nun von einem Anwesenden nach dem Grund für ihren Ärger befragt werden (lineare Sichtweise). Damit würde aber nur ihre eigene Sicht dargestellt werden. Person B sieht, dass A sich ärgert, A weiß, dass B ihr Gefühl wahrnimmt. Der Fragesteller könnte, um diesen kommunikativen Aspekt zu verdeutlichen, A danach fragen, was sie denkt, was ihr Ärger für B bedeutet. Gibt es dazu noch eine Person C, so kann der Fragesteller diese fragen, was sie denkt, was der Ärger von A bei B auslöst. Auf diese Weise erhält A Informationen über die mögliche Bedeutung ihres Ärgers für B, B erhält Informationen über die mögliche Intention von A, und A und B erhalten eine Rückmeldung über ihre Beziehung aus der Sicht von C. Wie aus dem Beispiel ersichtlich wird, hat das Zirkuläre Fragen hier einen triadischen Charakter. Dabei wird deutlich, wie viele zusätzliche Informationen, die neue Sichtweisen und Denkprozesse bei allen Beteiligten anregen können, durch das Zirkuläre Fragen offen gelegt werden. Unter Berücksichtigung der Zirkularität haben sich in der therapeutischen Praxis verschiedene Fragetechniken und -formen herauskristallisiert, die im Folgenden genauer dargestellt werden. Sie lassen sich gut auch auf andere z.B. pädagogische Kontexte übertragen, wobei allerdings bewusst bleiben muss, dass sie dann nicht für einen therapeutischen Prozess genutzt werden, sondern allein einer Perspektivenerweiterung und kommunikativen Zwecken dienen sollten.
Die im Folgenden aufgeführten Fragetypen für die therapeutische Praxis sollen nicht als Standardfragen gehandhabt werden, sondern als Leitfaden zur Verdeutlichung von allgemeinen Prinzipien des zirkulären Fragens gesehen werden. Mit welchen konkreten Inhalten diese allgemeinen Prinzipien dann gefüllt werden, hängt vom Kontext der aktuellen Konversation ab. Es gibt verschiedene Versuche, zirkuläre Fragen zu klassifizieren und zu ordnen. Einige unterscheiden sich nach der Form, andere nach den Zielsetzungen, und wieder andere nach den Inhalten der Fragen. Der triadische Charakter zieht sich hierbei durch fast alle Fragetypen. Stellvertretend wird hier die Kategorisierung nach Schlippe und Schweitzer ergänzt durch Simon vorgestellt und durch Beispiele erläutert.
Es fällt auf, wie die Frage-Interventionen die Horizonte verschieben. Die dadurch ausgelöste Kreativität befähigt wieder, den "Knoten" zu lösen und über den gesetzten Problemrahmen hinaus zu Ansichten zu kommen, die Lösungen ermöglichen. Die Frage-Interventionen enthalten die Implikation, dass ein Phänomen auch ganz anders gesehen werden kann und relativieren so feste Denkmuster. Auch wenn es scheinbar nur um Fragen geht, ist das "Fragen" prinzipielle Umsetzung systemischen Vorgehens. Dieses geht davon aus, dass nicht der Berater das Wissen um die Inhalte des entsprechenden Systems hat, sondern der Klient, der dafür als Experte gilt und dazu wieder zu befähigen ist. Dazu sind aber von Seiten des Coachs in einer entsprechenden Prozessführung günstige systemische Frage-Interventionen einzubringen und es ist zum Weiterdenken aufzufordern.
Coach: "Was meinen Sie, warum ihr Vorgesetzter Ihnen unsere Telefonnummer gegeben hat?" Mitarbeiter: "Er sagte, Sie können mir helfen." Coach: "Was denken Sie, warum Sie seiner Meinung nach Hilfe brauchen?" Mitarbeiter: "Damit ich meinen Job besser mache." Coach: "Was glaubt er, soll sich ändern, damit Sie besser werden in Ihrem Job?" Mitarbeiter: "Wenn es mir gut geht, dann wird meine Arbeit auch besser." Coach (zur Führungskraft): "Woran erkennen Sie, dass es Herrn xy besser geht?" Führungskraft: "Wenn sie nicht müde ist, kann sie sich konzentrieren." Coach (zu Mitarbeiter): "Was denkt Dein Vorgesetzter, ist der Grund für Deine Müdigkeit?" Mitarbeiter: "Er denkt, ich habe Stress mit dem Hausbau." Coach: "Was müssen wir Ihrer Meinung nach tun, damit Sie weniger Stress mit dem Hausbau haben?" Führungskraft: "Wir haben darüber gesprochen, dass …" Coach (zu Mitarbeiter): "Was soll Ihrer Meinung nach geschehen?" Mitarbeiter: "Wenn ich einen anderen Arbeitsplatz bekomme …" Coach: "Was können wir tun, damit es Dir besser geht?" Mitarbeiter: "Ihr könnt für mich einen neuen Arbeitsplatz finden." Coach: "Was wird an einem anderen Arbeitsplatz anders sein als bisher?" (Frage zur Möglichkeitskonstruktion) Mitarbeiter: "Da kann ich meine Arbeit auch dann tun, wenn ich etwas müde bin."
Die Methode des zirkulären Fragens kommt aus der systemischen Therapie und ist untrennbar mit der systemischen Denkweise verknüpft. Daher sind beim Einsatz der Methode Vorkenntnisse aus der systemischen Theorie sowie gewisse Fertigkeiten seitens des Anleiters erforderlich. Zunächst muss der Anleiter, der selbst Teil des Systems ist, den Anspruch der Neutralität erfüllen. In der Klärung eines Beziehungskontextes läuft der Leiter Gefahr zwischen die Fronten der Konfliktparteien zu geraten. Er ist mit verschiedenen Personen und Werten, aber auch mit verschiedenen Wünschen und Aufträgen konfrontiert. Um dem Anspruch der Neutralität möglichst gerecht zu werden, wird in der Therapie ein weiterer Therapeut als Beobachter eingesetzt. In der sozialpädagogischen oder schulischen Praxis könnte stattdessen ein zweiter Anleiter diesen Platz einnehmen. Wahrt der Therapeut die Neutralität nicht und solidarisiert sich mit einer Partei, so läuft er Gefahr, Teilnehmer des Systems zu verlieren, so dass die Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen werden könnte. Auch muss dem Anleiter bewusst sein, dass (zirkuläre) Fragen immer auch einen suggestiven Wert haben. Vom Anleiter wird daher ein hohes Maß an Selbstreflexion erwartet. Außerdem ist im Prozess selbst aktives Zuhören und eine permanente Reflexion des Gesagten von Nöten, um Anknüpfungspunkte für zukünftige Fragestellungen zu finden. Nur so erhält das zirkuläre Fragen eine produktive Dynamik.
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