Dilemma

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Dilemma Definition

Das Wort „Dilemma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet: „Doppelsatz“ / “zweigliedrige Annahme“.
Es bezeichnet eine Konfliktsituation mit zwei Auswegen. Keine von beiden stellt dabei für die Person eine zufriedenstellende Alternative dar.

Synonyme

Weitere Synonyme sind: Ausweglosigkeit, Bedrängnis, Bredouille, Chaos, Handlungsoption, Irrweg, Klemme, Misere, Misslichkeit, Notlage, Paradoxon, Patsche (umgangssprachlich), Seelennot, Unlösbarkeit, Verlegenheit, Wahl, Zwangslage und Zwickmühle.

Dilemma
Dilemma (Pixabay: © qimono)

Moralisches Dilemma / Ethisches Dilemma

Cicero, ein römischer Philosoph, und Aristoteles, ein griechischer Philosoph, sind die frühen wichtigen Persönlichkeiten, die über Ethik reflektierten: Aristoteles als Begründer der Ethik als einem Teilgebiet der Philosophie. Cicero prägte die Entsprechung: „philosophia moralis“ für „êthikê“.

Heute verwenden manche Menschen „Ethik“ und „Moral“ umgangssprachlich als Synonyme. Bei genauer Betrachtung ist Ethik die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Vorbedingungen und der Interpretation moralischen Handelns. Ethik ist gegenüber Moral auf einer Metaebene angesiedelt: einer höheren Reflexionsebene.

Was ist nun ein Dilemma? Bei einem ethischen bzw. moralischen Konflikt hat ein Mensch in einer Situation eine von mehreren Entscheidungsoptionen. Die Möglichkeiten schließen einander aus. Wenn die Person einen Weg wählt, um bestimmte Werte zu beachten, missachtet sie gleichzeitig die Werte, die einer anderen Entscheidung innegewohnt hätten.

Beispiel: Für die in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Ethnologen (Völkerkundler) entwickelte der Berufsverband AGEE „Ethische Leitlinien“ (1999). Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung der Berufsangehörigen. Die Fachvertreter diskutierten kontrovers. Insbesondere schien es für die moralische Verpflichtung, die hohen moralischen Richtlinien in ihrer Komplexität zu beachten, in manchen Anwendungsfällen nur die Alternative zu geben, auf Aufträge zu verzichten und damit die Versorgung der eigenen Familie zu gefährden.

Herausbildung eines paradoxen Konfliktes

In der Frage nach der Entwicklung findet sich bereits auch ein Schlüssel zur Lösung aus einer Zwangslage. Nur ein Teil der Bredouillen sind wirklich ausweglos.

Es braucht also zur Entstehung ein Individuum, ein Problem dieser Person und ihre Sichtweise auf sich, ihren Konflikt und die zwei Lösungsmöglichkeiten.

Ein Problem erlangt die Qualität eines Dilemmas, wenn das Individuum beide Wege als gleichwertig betrachtet: gleichermaßen brauchbar oder unbrauchbar. Es kann keinem von beiden Optionen den Vorzug geben: Einer der beiden Auswege wäre keine Lösung, weil der Mensch die Vorteile beider Möglichkeiten wünscht oder die Nachteile beider Optionen fürchtet.

Kategorien von Dilemmas

  • positives (konstruktives) Dilemma
    Bei einem positiven Dilemma existieren zwei Auswege. Beide führen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.
  • negatives (destruktives) Dilemma
    Im Unterschied dazu steht das negative Dilemma: Es gibt zwei Optionen, wovon keine zu einem positiven Ergebnis führt. Dieser Typus ist der eigentliche Konfliktfall, wenn Menschen von einem Dilemma sprechen.
  • falsches Dilemma
    Bei einem falschen Dilemma handelt es sich um die falsche Vorstellung eines Individuums, es gäbe keinen Ausweg.

Dilemma Beispiele

Folgende Situationen aus unterschiedlichen Bereichen verdeutlichen die Aspekte, Ebenen und die Komplexität von Dilemmata:

  • aus der Politik / Gesetzgebung
    Nach dem 11. September 2001 diskutierten Politiker, welcher Personengruppe in der Terrorbekämpfung das höchste Gut zuzuschreiben sei. Wenn ein Flugzeug entführt werden würde, um es für terroristische Ziele ähnlich wie in New York einzusetzen: Würde man die zivilen Flugzeuginsassen opfern, um größere Menschengruppen am Boden zu schützen?

    Die Gesetzgeber versetzten sich in die Lage der deutschen Bevölkerung. Sie räumten ihrer Sicherheit die höchste Priorität ein, auf Kosten einer kleineren Gruppe an Passagieren in der Luft. Das Luftsicherheitsgesetz von 2005 wurde zwar verabschiedet. Jedoch schätzte das Bundesverfassungsgericht es als menschenunwürdig und nichtig ein.
  • Wissenschaft
    Aus der Spieltheorie kommt das Beispiel des Gefangendilemmas. Es ist ein Erklärungsmodell, das Verhaltensphänomene von Individuen in Gruppensituationen erklärt: Es gibt zwei Gefangene. Einer von ihnen soll die Tat begangen haben. Sie haben keinen Kontakt zueinander. Es gibt Einzelverhöre und eine Kronzeugenregelung.

    Vorteilhaft erscheint beiden Menschen zu gestehen und als Kronzeuge aufzutreten. Davon versprechen sie sich, wie angekündigt, Strafminderung. Die Alternative wäre: kein Geständnis und damit die Befürchtung, durch einen Mitgefangenen belastet zu werden. Überblicken kann die Situation keiner der Beschuldigten. Denn das Problem ist: Wenn beide Gefangenen gestehen, belasten sie sich gegenseitig. Der versprochene Ausweg, das geringere Strafmaß, bleibt aus.
  • Wirtschaft
    Das Modell des Gefangenendilemmas kann angewendet werden, auf das Verhalten von Menschen in wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Teams.
  • Ein Negativbeispiel
    Ein Mitarbeiter hält seine Erkenntnisse und Erfahrungen zurück. Er wartet darauf, dass seine Teammitglieder ihr Wissen mit ihm teilen (Informations-/Wissensmanagement). Er will die Vorteile durch die Kooperation wahrnehmen. Gleichzeitig möchte er im Wettbewerb keine Nachteile erfahren, wenn er sein Wissen teilt, durch das er beispielsweise schneller ist, als seine mit ihm konkurrierenden Kollegen.

    Wenn dieses Verhalten mehrere Teammitglieder zeigen würden, wäre die Zusammenarbeit weniger effektiv. Sofern alle Kollegen so handelten, gingen alle Teamvorteile verloren. Ein Ausweg liegt in der Fokussierung und Teamlenkung im Hinblick auf eine langfristige Zusammenarbeit, im Gegensatz zu möglichen kurzfristigen Zielen Einzelner.
  • Heinz-Dilemma
    Bei diesem von dem Psychologen Lawrence Kohlberg entwickelten, theoretischen Fall steht der Mann, Heinz, einer schwerkranken Frau im Mittelpunkt. Er sieht nur zwei Optionen: ein unerschwingliches Medikament vom Apotheker zu stehlen oder seine Frau sterben zu lassen.

    In der Geschichte existiert jedoch eine weitere Möglichkeit, die Heinz vor dieser Konfliktsituation bereits ausprobiert: Er bittet sein soziales Umfeld um finanzielle Unterstützung. So erhält er die Hälfte des Kaufpreises.

    Darin liegt auch ein vierter möglicher Ausweg: Weitere Menschen (aus seiner Stadt, seiner Region, seinem Land) um Spenden zu bitten.

    Oder ein fünfter Weg: andere Mittel zur Spendeneinwerbung zu bestreiten (Menschen etwas geben/schenken im Gegenzug für eine Spende, zum Beispiel eigene Möbel und Gegenstände zu verkaufen, eine Feier zu geben und die Eingeladenen um eine Spende zu bitten, Musik zu spielen/etwas zu produzieren gegen eine Spende).

    Eine sechste Lösung bestünde in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung (zum Beispiel mittels Gesprächen mit den Nachbarn, dem Aufhängen von Plakaten oder einem Radio-Interview). Durch sozialen Druck könnte der Apotheker so dazu gebracht werden, den Preis des Medikamentes zu senken.

    Eine ähnliche Möglichkeit käme mit der Anrufung eines Berufsverbandes von Apothekern, eines Gerichts oder einer Schlichtungsstelle in Betracht.
  • Rettungsboot-Dilemma
    Hier geht es um die Frage: Soll einer von zwei Schiffbrüchigen den anderen töten und sich das einzig verbliebene Holz holen, um am Leben zu bleiben? Diese theoretische Konfliktsituation nennt man, nach dem möglichen Begründer Karneades (einem frühen griechischen Philosophen): das Brett des Karneades. Cicero fand die einzige Lösung im Losverfahren.

    Die Grundfrage, ob ein Mensch zugunsten eines anderen Menschen geopfert werden darf, stellt sich immer wieder in der heutigen Rechtsprechung (zum Beispiel in Notwehr-Situationen oder bei Flugzeugentführungen).
  • Gleisarbeiter-Dilemma
    Das im Englischen benannte „trolley problem“ lehnt sich an das Rettungsboot-Dilemma an. Die Frage lautet hier: Darf eine Gruppe von Gleisarbeitern vor einer sich annähernden Straßenbahn gerettet werden zuungunsten einer einzelnen Person? Die steht auf einem anderen Gleis. Und jemand müsste die Weiche umstellen. Auch dieses Problem ist ein Gedankenexperiment. Es existiert in mehreren Variationen.

Ein Dilemma lösen

Ein Mensch kann einen Ausweg aus einer Zwickmühle erkennen, indem er sich vergegenwärtigt, dass es, objektiv gesehen, kein Richtig und kein Falsch gibt.

Je nach Blickrichtung kann eine Person mehr Argumente für oder gegen eine Entscheidung besitzen. Ihr hilft es also, den Standpunkt zu verändern und die Entscheidungssituation zu abstrahieren. So kann sie zu einem bisher nicht bedachten Ausweg kommen.

Sogenannte W-Fragen helfen zu begreifen, was zu einer Entscheidungssituation geführt hat, zum Beispiel:

„Welche Bedürfnisse erfülle ich mir, wenn ich diesen oder jenen Weg gehe?“,

„Was für Bedürfnisse stehen sich entgegen?“,

„Wessen Bedürfnisse sollen mit der Entscheidung verwirklicht werden?“ (oder anders gesagt: „Handelt es sich um meine inneren Bedürfnisse? Oder stehen sich Bedürfnisse mehrerer Personen gegenüber?“)

Dilemma, Trilemma, Tetralemma und Polylemma

Zu dem Begriff „Dilemma“, mit der Vorsilbe „di-“ existieren verwandte Wörter mit dem gleichen Wortstamm.

So bedeutet „Tri-lemma“ eine Konfliktsituation mit drei Wahlmöglichkeiten.

Ein „Tetra-lemma“ ist ein Viersatz. Der Begriff stammt aus der lösungsorientierten systemischen Strukturaufstellung. Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd formulierten diesen Begriff. Sie entwickelten eine bei indischen Gerichtsverhandlungen verwendete Argumentationsform, das „catuscoti“ weiter. Danach existieren vier mögliche Blickwinkel:

  1. die Position eines Klägers / Klienten (richtig)

  2. die Gegensicht eines Angeklagten/eine zweite, gegensätzliche Sichtweise (falsch)

  3. der Standpunkt, wonach Kläger und Angeklagter Recht haben (oder Position 1 und Position 2 richtig sind) und

  4. die Position, nach der weder der Kläger noch der Angeklagte im Recht sind (oder weder Haltung 1 noch Haltung 2 korrekt sind).

Sparrer und von Kibéd fügten eine fünfte, freie Position hinzu.

Das „Poly-lemma“ ist die scheinbare Unlösbarkeit, zwischen mehr als Optionen eine Wahl zu treffen.

Wie eine Person sich entscheidet, wem sie es dabei Recht zu machen versucht: Es findet sich stets jemand, der an dem neuen Weg Kritik übt. Diese Vorstellung haben die beiden Familienmitglieder in der Geschichte vom türkisch-islamischen Volkshelden Hodscha Nasreddin: das Polylemma vom Vater und seinem Sohn und ihrem Esel. Der Ausweg kann sein, dass beide Menschen das tun, was sie selbst für richtig halten.

Inneres Team

Dilemma treten nicht nur innerhalb einer Personengruppe auf, sondern auch in einem Menschen. Schulz von Thun prägte den Begriff des „inneren Teams“. Bei inneren Konflikten kann einer Person helfen, sich ihrer inneren Anteile bewusst zu werden, die zu einem Irrweg geführt haben, zum Beispiel: der Entscheider und der Ängstliche.

Eine Lösung kann darin bestehen, weitere innere Anteile aufzuspüren: Der Mensch ist womöglich auch mutig. Wenn das Individuum sich nun vor Augen führt, dass sein innerer mutiger Anteil sich mit dem Anteil zusammenschließt, der entscheidet, wäre eine Alternative gefunden.

Mehr zum Inneren Team.

Dilemmas im Coaching

Ein Klient bringt ein Dilemma mit dem Wunsch seiner Auflösung in die Sitzung. Die Rolle des Coaches besteht darin, den Klienten auf den Weg zu bringen und zu begleiten. Der Klient ist Experte bezüglich seines Problems. Das Wissen um die Lösung wohnt ihm inne. Der Coach kann ihn unterstützen, indem er sein Handwerkszeug (beispielsweise Coaching-Fragen) einbringt.

Dilemmas in der Psychologie

Die Psychologie beschreibt Konflikte und liefert Erklärungsansätze: Warum ein Individuum „sich wie in einer Zwickmühle fühlt“ und warum es keinen Ausweg weiß. Und wie dennoch, zum Beispiel „von außen“ betrachtet (oder indem der Mensch seinen Standpunkt verändert), eine Lösung möglich ist.

Ein Psychologe bringt dieses Wissen mit, beispielsweise in die Klienten zentrierte Gesprächsführung nach Rogers. Er nimmt die Rolle eines externen, professionellen Beraters und Helfers ein:

Eine Mutter erkrankt immer dann, wenn ihr Sohn ausziehen wollte. Gleichzeitig hatte sie den Anspruch an sich, sich von ihm zu lösen. Rogers zeigte als Lösung aus dem Dilemma die mögliche innere Weiterentwicklung der Mutter auf: Sie erhalte während der Therapiesitzungen eine schützende Umgebung. Dort könne sie das Erlebte beschreiben. Mit Hilfe des Psychotherapeuten könne sie dann einen Zusammenhang herstellen: zwischen der Erkrankung und dem Dilemma aus ihrer Erfahrung (Angst) und ihrem Selbstbild als Mutter. Letztlicher Schritt sei die innere Angleichung der beiden unterschiedlichen Positionen der Mutter. Damit löst sich das Individuum aus seiner Bedrängnis.




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