Coaching Welt → Wissen → Persönlichkeiten → Carl Rogers
Es gibt im Bereich der Psychologie die verschiedene Fachrichtungen und mit ihnen einhergehende Lösungsstrategien für die unterschiedlich schwerwiegenden und vielfältig begründeten Probleme der Menschen. Carl Rogers war ein US-amerikanischer klinischer Psychologe, Erziehungswissenschaftler und einer der bekanntesten Vertreter der Fachrichtung humanistische Psychologie. Er beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit der Entwicklung von Modellen zur Gesprächsführung in Beratung und Therapie. Diese Modelle werden auch Modell der personen- beziehungsweise klientenzentrierten Gesprächsführung genannt. Sie zählen neben der Psychoanalyse und der kognitiven Verhaltenstherapie zu denen am meisten durchgeführten Therapieformen. Darüber hinaus war Carl Rogers Autor zahlreicher Bücher wie "Entwicklung der Persönlichkeit", "Encounter groups" oder "der neue Mensch", und hatte einen großen Einfluss auf das Verständnis des Menschen mit seinen Fähigkeiten zur sinnstiftenden Selbstentwicklung und individuellen Selbstverwirklichung. Seine theoretischen Überlegungen finden heute in den Lehren der angewandten sowie praktischen Sozialwissenschaften, der Erziehungswissenschaften, der Kommunikationswissenschaften und natürlich nicht zuletzt in der Psychologie ihren Platz.
Inhaltsverzeichnis
Carl Rogers Interesse an den humanistischen Herangehensweisen gegenüber der menschlichen Persönlichkeit ist eng verknüpft mit seiner eigenen Biografie und den Erfahrungen der Reflexion über seinen persönlichen Hintergrund sowie einer letztlichen Loslösung gegenüber den alten, durch seine Eltern vorgegebenen, Werten. In Illinois in einem streng christlich religiösen und sehr arbeitsintensiven Elternhaus aufgewachsen, war er als Kind eher isoliert und begann bereits sehr früh, sich mit dem Lesen von vielen Büchern auseinander zu setzen. Nach Abschluss der Schule versuchte er sich zunächst in einem Studium der Agrarwissenschaften, wechselte allerdings schon bald zum Fach der Theologie. Nachdem er während eines längeren Studienaufenthaltes in Fernost Erfahrungen mit anderen Weltanschauungen und diversen Lebensrealitäten gemacht hatte, zweifelte er zunehmend an der christlich religiösen Doktrin seines eigenen Elternhauses und entfernte sich von nun an mehr und mehr von einem in ein religiöses Gefüge eingebettetes Bild von einem Menschen beziehungsweise dessen Persönlichkeit. Er begann eine humanistische Weltanschauung zu entwickeln und den Menschen selbst in das Zentrum zu stellen. Er wechselte aufgrund dieser für ihn einschneidenden Erkenntnisse erneut das Studienfach, zu den Erziehungswissenschaften am Teachers College und promovierte später in Psychologie. Durch seine langjährige praktische Erfahrung in der Betreuung von Kindern als klinischer Psychologe konnte Carl Rogers seine theoretischen Überlegungen zu der Art und Weise der Gesprächsführung bei einer Beratung oder Therapie in der Praxis hinterfragen und sein Konzept zur Gesprächsführung entwickeln und weiter ausbauen beziehungsweise verfeinern. Darüber hinaus gilt er als Begründer des in der Psychologie verankerten Begriffs des Encountering.
Persönlichkeitstheorien gehen je nach Fachrichtung und den bei ihrer theoretischen Begründung wesentlich Beteiligten von einem unterschiedlichem Aufbau der menschlichen Persönlichkeit aus.
Beim Begriff Humanismus als Weltanschauung steht der Mensch als universal, individuell und als höchste Instanz im Mittelpunkt mit all seinen Möglichkeiten und Zielen. Bildung nimmt im Humanismus einen zentralen Platz in der Entwicklung des Menschen ein. Die Änderung des Menschenbildes beziehungsweise die Verschiebung seiner Rolle ins Zentrum bezeichnet auch ein Ende der starren Ausrichtung des menschlichen Lebens auf ein Jenseits, vorgegeben durch Religion.
Im Humanismus betreffend des Bereiches der Psychologie geht es vor allem darum, Selbstverwirklichung und Selbstentwicklung als grundlegenden, sinnstiftendes Merkmal der Persönlichkeit zu erkennen. Wesentlich ist dabei auch das Begreifen des Menschen als grundsätzlich gut. Carl Rogers geht davon aus, das durch dieses gegebene Fundament auch die Möglichkeiten zur Selbsthilfe in einem Menschen selbst verankert sind. Diese dienen der Selbstentwicklung oder sind dem Menschen eigene Instrumente die persönlichen Probleme im Leben zu bewältigen und dabei stetig an sich selbst zu wachsen. Des weiteren nimmt der Begriff Selbstkonzept des Menschen bei Carl Rogers eine zentrale Rolle ein. Dieses Konztept ist bei der Benennung der persönlichen Schwierigkeiten von großer Bedeutung, weil die Interpretation des Problems durch den Klienten selbst bei den Ansätzen von Carl Rogers den etablierten Schubladen übergeordnet ist. Das Konzept eines Menschen kann positiv oder negativ sein, Das Erleben baut dieses Konzept, welches ein bestimmtes Verhalten nach sich zieht. Neben der Analyse des Problems ist also auch die aus dem Selbstkonzept hervorgehende Perspektive des Klienten und einen möglichen Einfluss dieser Wahrnehmung auf die Probleme zentral. Das humanistische Bild geht von einer Orientierung des Menschen an individuellem Sinn und Ziel aus. Diese Orientierung wird als gegeben, sozusagen natürlich angenommen und schließt die Möglichkeiten zur Selbstentwicklung mit ein. Wir der natürliche Zustand gestört, liegt nach Rogers das Problem im außen.
Basierend auf der grundlegenden Annahme über Persönlichkeiten entwickelte Carl Rogers zunächst einen personenzentrierten Ansatz als Perspektive für das Feld der Beratung und Therapie. Durch diese entwickelte er in weiterer Folge den Ansatz der sogenannten personenzentrierten Gesprächsführung. Später ersetzte Carl Rogers den Begriff der Person durch den Begriff des Klienten. Wesentliches Fundament für die Entwicklung dieser Ansätze war die Verankerung der konstruktivistischen Perspektive bei Rogers. Geprägt durch ein humanistisches Weltbild ist eines der Zitate die Carl Rogers charakterisieren:
Der Mensch ist gut
Diese Grundannahme fördert ein positives Menschenbild, dem viele Möglichkeiten zugesprochenen werden können. Die Fähigkeit des Menschen, seine Probleme selbst zu bewältigen steht im Zentrum der Gesprächsführung. Das Gegenüber wird durch Emphatie und aktives Zuhören dazu gebracht, selbst seine Probleme zu benennen um in weiterer Folge Schritte zur Lösung des Problems zu erarbeiten. Übergeordnet ist die Ausrichtung auf Hilfe zur Selbsthilfe und die positiven Konsequenzen für das Selbstkonzept des Klienten bei erfolgreicher Beratung und Therapie. Dadurch dass der Mensch sich zunächst mit sich selbst soweit auseinander setzt, das er sein individuelles Problem für sich begreift und dann mit Unterstützung durch den Berater Strategien entwickelt, sich selbst von seinen Problemen zu befreien, wird das Selbstbild verbessert und das Selbstvertrauen steigt. Dadurch kann eine positivere Wahrnehmung der Realität entstehen und Selbstverwirklichung wird möglich gemacht. Dieser Ansatz steckt also die Menschen nicht zuerst in psychologische oder pathologische Schemata, die es in weiterer Folge aufzulösen oder zu therapieren gilt, sondern bekräftigt vielmehr den Klienten in seiner eigenen individuellen Persönlichkeit und versucht individuelle Gründe und Lösungen als passende Antwort auf ebenso individuelle Fragen zu erarbeiten.
Neben der zentralen Ausrichtung auf den Klienten und sein Erleben bei Beratung und Therapie hat Carl Rogers auch eine Reihe an Methoden festgelegt mit der die Gesprächsführung am besten gelingt. Für Rogers war es grundlegend, dem Klienten frei von der Rolle des Beraters zu begegnen. Durch die mit der Funktion eines Beraters oder Therapeuten einhergehende Perspektive wird eine Distanz zwischen den beiden am Gespräch Teilnehmenden geschaffen. Durch Loslösung der Rolle, Bewertungen und Hierarchien wird hingegen das angestrebte Vertrauensfeld aufgebaut, in dem es wiederum dem Klienten möglich ist, sich selbst gegenüber der Analyse seines eigenen Problems und dessen Lösung zu öffnen. Diese Begegnung, die von Carl Rogers auch als echte Begegnung aufgefasst wird, wird in der Psychologie Encountering genannt. Darüber hinaus begründet Carl Rogers einige Kommunikationsprinzipien für ein erfolgreiches Gelingen des Gesprächs. Eine Methode für die Gesprächsführung stellt Rogers mit dem aktiven Zuhören dar. Es geht primär um das Eintauchen in die Erlebniswelt des anderen. Dies soll mit Empathie, also Mitgefühl geschehen. Empathie, dass sei an dieser Stelle erwähnt, gilt in der Wissenschaft als ein schwierig zu definierender Begriff. Da es keine Einigkeit darüber gibt, ob oder in wie fern Empathie für die Wissenschaft als ein messbares, validiertes Merkmal oder eine Größe angewendet werden kann, wird auch die humanistische Psychologie oft als wissenschaftlich zu weich und nicht messbar abgetan. Dabei ist es genau dass, was für Carl Rogers so zentral ist: Das Wahrnehmen des anderen nicht losgelöst vom Gefühl, um den anderen wirklich zu verstehen und ihm auf einer Ebene begegnen zu können. Dies fällt unter die von Rogers so betitelte bedingungslose positive Zuwendung des Coaches oder Psychologen gegenüber seinen Klienten.
Anhand folgenden Beispiels lässt sich eine Unterscheidung zwischen Rogers Ansatz und den häufig angewendeten Therapieformen der Psychoanalyse und der kognitiven Verhaltenstherapie sowie deren ihnen zu Grunde liegenden Perspektiven auf den Menschen und seine Persönlichkeit treffen. Wenn eine Person, die unglücklich im Leben ist und eine "moderatere" Suchtkrankheit (konsumiert zum Beispiel viel Alkohol oder Cannabis, ist allerdings noch nicht so stark in der Funktion eingeschränkt) aufweist, in eine Beratung kommt, wäre ein erster Schritt bei dem auf Klienten ausgerichteten Ansatz zur Gesprächsführung, die Person in mehreren Sitzungen oder Einheiten von sich aus erzählen zu lassen und nicht zunächst zu versuchen, Kategorien für die Unzufriedenheit auszumachen und den Menschen beispielsweise wie beim freudschen Ansatz durch seine Kindheit zu betrachten oder sofort Kategorien zu öffnen wie zum Beispiel Depressionen als Gründe für das Konsumverhalten. Auch im kognitiven, verhaltenstherapeutischen Ansatz wird das Problem im Inneren des Menschen veranschlagt und das Ziel besteht darin, durch geändertes Verhalten den Konsum zu verringern. Beide Formen beschäftigen sich mit zentral mit den geschaffenen Problemen oder den Symptomen und weniger mit dem persönlichen Erleben des Betroffenen. Grundsätzlich sollte bei Rogers darauf geachtet werden, das Gegenüber nicht zu bewerten und aktiv beim Gespräch zu bleiben. Dadurch wird zunehmend Vertrauen aufgebaut und dem Klienten wird es immer einfacher fallen, sich vor sich selbst und anderen zu öffnen. Im weiteren Verlauf der Gespräche kristallisiert sich immer mehr heraus, das die als chronisch empfundene Unzufriedenheit aus einer traumatisch belastenden Perspektive heraus stammt und sich der Klient zur Linderung seines Leidens an sich selbst durch Selbstmedikation versuchte zu helfen. Bei anderen therapeutischen Ausrichtungen wäre hier wahrscheinlich eher in den Bereich der Suchttherapie eingedrungen, welches zwar die Symptome bekämpfen würde, die natürlich die Ursachen bei einer kompetenten Beratung oder Therapie mit ein schließen, aber allerdings nicht als grundlegendes Wesen des Problems angenommen wird. Im weiteren Verlauf des beratenden Prozesses und mit wachsendem Vertrauen zwischen Berater und Klient kann der Berater auf das Problem des Klienten unterstützend einwirken, in dem er das vom Klienten Gesagte aktiv aufnimmt. Durch die eigene Erkenntnis, dass das Leiden des Betroffenen durch die auf seinem negativen Erleben begründete Perspektive entsteht, konnten nun auf einmal Handlungsoptionen für die Lösung des Problems sichtbar gemacht werden. Dadurch das sich der Klient selbst diese Optionen erarbeitet hat, ist die Motivation im Gegensatz zu Lösungsansätzen von außen vervielfacht. Durch Übungen der Änderung der Perspektive und des Verhaltens konnte die Unzufriedenheit zu Gunsten positiver Gefühle weichen und der Klient hatte von nun an eigene Lösungsstrategien für seine Probleme. Im Prozess veränderte er auch mit Unterstützung der Beratung oder Therapie seine negativen Konsumgewohnheiten. Nach erfolgreichem Abschluss der Therapie ist der Selbstwert des Klienten gestärkt und er ist innerlich an den Erfahrungen gewachsen. Für seine Zukunft hat er nun grundlegende Erkenntnisse getroffen und fühlt sich nicht länger als Opfer seiner Umstände, Rolle oder Biografie.
Für den Beruf des Coaching sind die wesentlichen Strömungen der Psychologie und deren Methodenlehre ein Teil des notwendigen Basiswissens, welches die praktische Arbeit im Umgang mit den Klienten erleichtert. Beim Coaching beziehungsweise der Beratung und Unterstützung von Menschen mit Problemen macht der personen- beziehungsweise klientenzentrierte Ansatz zur Gesprächsführung einen großen Sinn für die Klienten. Durch Begegnungen auf einer Ebene frei von Rollen und Bewertungen kann durch Methoden wie dem aktiven Zuhören auf empathische Art und Weise eine Vertrauensbasis zwischen Beratenden und Klienten geschaffen werden. Dadurch ist eine offene Spurensuche möglich und die Kennzeichnung des Problems durch den Klienten selbst hilft ihm, sich wiederum selbst zu helfen. Dadurch können auch Lösungen aus dem Klienten selbst heraus folgen und das positive Gefühl, sich selbst aus etwas befreien zu können, steigert den Selbstwert des Einzelnen. Der Klient steht bei der Führung der Gespräche grundsätzlich im Mittelpunkt. Eine empathische, wertfreie Grundhaltung ist eine Voraussetzung für eine gelungene Gesprächsführung. Wichtig für die Arbeit als Coach ist, sich vorzustellen wie man selbst in einem Gespräch um persönliche Probleme behandelt werden möchte. Dies kann eine Brücke zu den Klienten bauen und macht den Coach im besten Fall unvoreingenommen gegenüber dem Betroffenen, seinen Auffassungen und seiner Perspektive. Darüber hinaus wird es möglich den Ursprung des Problems durch den Klienten selbst zu finden. Nicht zuletzt soll erwähnt sein, dass auf es auch für den Coach bereichernd und lehrreich ist, aus den Schubladen und vorgegebenen Schemata auszubrechen und eine menschenfreundliche Perspektive einzunehmen.
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