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Bei dieser dieser Form des Coachings wird sehr viel (schwarzer) Humor eingesetzt, wobei Verständnis und Empathie gegenüber dem Klienten jederzeit vorhanden ist. Es ist hierbei enorm wichtig ist, den guten Draht zum Klienten nicht zu verlieren. Beide, sowohl Trainer als auch Teilnehmer müssen Spaß an der Sache haben, was nur möglich ist, wenn beide auch über sich selber lachen können. Es wird mit Provokation und Überzeichnung versucht den durch Probleme überlasteten Blick des Klienten zu klären und ihn zu energetisieren, aktiv zu werden. Es sollen eingefahrene Muster unterbrochen und der Blick auf zukünftige Möglichkeiten gelenkt werden. Namen: Frank Farrelly (1931 - 2013), Dr. Eleonore Höfner, Dr. Charlotte Cordes
Überblick Provokatives Coaching
Provokatives Coaching ist ein Coaching-Ansatz, bei der sehr humorvoll die vermeintlichen Schwächen des Klienten auf die Schippe genommen werden. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, spricht der Coach an, was ihm am Klienten auffällt oder welche Gedanken er sich zu ihm und seinem „Problem“ macht. Meist sind dies Gedanken, die der Klient sich auch schon gemacht hat oder von denen er fürchtet, dass andere dies an ihm wahrnehmen könnten. Durch humorvolle Überzeichnung und Übertreibung wird der Klient in einen Widerstand gegen seine eigenen, schädigenden Verhaltensweisen gebracht. Auf diese Art wird seine Fähigkeit zur Selbstverantwortung, zur Weiterentwicklung und Selbstregulation hervorgelockt. Ein provokativ arbeitender Coach nutzt zwar vielfältige Methoden, wichtiger als die genutzten Techniken ist jedoch zu jeder Zeit die absolut wertschätzende und humorvolle Grundhaltung seinen Klienten gegenüber.
In den 60-iger Jahren wurde die Provokative Therapie erstmals vom Psychiater Frank Farrelly (1931 - 2013) genutzt. Anfangs bezeichnete er seine offenen Gedanken als "verbale Ausrutscher", doch genau diese Offenheit traf häufig punktgenau zu und löste Zustimmung seitens des Klienten/Patienten aus. Daraus entwickelte er die Provokative Therapie und setzte einige Spielregeln auf, die man als Therapeut oder Coach beachten sollte. In der Provokativen Therapie wird sozusagen "alles falsch gemacht", was der Coach jemals gelernt hat. Er nimmt buchstäblich die Rolle des Klienten ein, fällt seinem Kunden ins Wort, redet mehr, provoziert ihn geschickt und stößt ihn vor den Kopf. Weiterentwickelt wurde sie im deutschsprachigen Raum von Dr. Eleonore „Noni“ Höfner, die einzelne Elemente von Farrellys Arbeit herausarbeitete und ergänzte. Ihr ist es zu verdanken, dass Provokatives Coaching in leicht verstehbaren Häppchen auch erlernbar wird und dadurch mit vielen anderen Coaching-Methoden kombiniert werden kann.
Quelle: managerSeminare know-how | Heft 112 | Juli 2007, Ruth Hellmich
"Fürchte nicht die, die nicht mir Dir übereinstimmen, sondern die, die nicht mit Dir übereinstimmen und zu feige sind, es Dir zu sagen." (Napoleon Bonaparte)
In der Provokativen Veränderungsarbeit wird sehr häufig das schauspielerische Talent des Coachs gefordert. Die Einnahme verschiedener gefühlvoller Rollen hat sich sehr häufig als sinnvoll und zielführend erwiesen. Je weniger berechenbar und unerwartet die Reaktion des Beraters ist, umso besser. Der Coachee lernt hier auf diese verschiedenartigen Muster zu reagieren, und ist in der Folge in ähnlichen Situationen in seinem Alltag nicht mehr unsicher, sondern hierauf vorbereitet, dass Menschen nicht berechenbar und scheinbar ungerecht oder unangemessen reagieren. Die Kommunikationskategorien nach Virginia Satir bieten sich als mögliche Interventionsmuster an:
"Das machen Sie mit Absicht. Sie sind ein richtiger Therapeutenkiller! Immer alles besser wissen. Typisch deutsch.“
"es tut mir ja so leid…ich fürchte, das schaffe ich nicht mit Ihnen. Ihre Probleme sprengen jeden Rahmen. Ich bin völlig überfordert, ich glaube, ich verliere meine Zulassung, weil ich Sie ohne Ergebnis nach Hause schicken muss…"
"Eine neue Studie in den USA hat wissenschaftlich bestätigt, dass Männer in Ihrem Alter sich nicht mehr ändern können. Frauen schon. Männer – nein."
"Sie haben da einen Faden am Pulli, der ist nicht ganz vernäht...warten Sie mal, reden Sie ruhig weiter, ich hole rasch mal mein Nähzeug, ich bin in 10 Minuten zurück."
Liebhaber (verwirrt) "Oh, dieses Lächeln, dieses unwiderstehliche Lächeln … wie kann eine so schöne Frau wie Sie denn überhaupt Probleme haben. Ich schmelze schon bei Ihrem Anblick dahin. Sie verwirren mich ganz. Und Sie sagen, Ihre Schüler sind ständig unkonzentriert?“
Mutter (fürsorglich) "Dafür sind Sie vermutlich noch zu jung. Die wirklich wichtigen Entscheidungen wurden von erwachsenen Männern und Frauen getroffen. Möchten Sie einen Tee? Das wird Ihnen gut tun. Die Welt ist oft unfair, seien Sie nicht traurig“.
Coach: "Ihre Frau hat Sie verlassen?“ - nickt verständnisvoll und sagt ernst: - „Aus gutem Grund!“ Klient schaut irritiert, lacht „Äh … ja…da ist sogar was dran…“ Coach: "Weil Sie wieder berufstätig sind, fühlen Sie sich als Rabenmutter? Ja, es ist schon sinnvoll, dass Frauen hinter dem Herd und bei ihren Kindern bleiben. Ihre Kinder gehen jetzt ohne Frühstück aus dem Haus, haben keine sauberen Socken mehr zum Anziehen, werden dadurch verhaltensauffällig, schreiben schlechte Schulnoten und später werden sie drogenabhängig. Das hätten Sie sich vorher überlegen sollen…“ Coach: "Sie sind nach dieser üblen Mobbingsache in der Firma geblieben? Sie sind wirklich leidensfähig. Eine Fähigkeit, die heute kaum noch wahrgenommen und geschätzt wird. Vielleicht erhalten Sie dafür eines Tages einen Orden…das Bundesverdienstkreuz …“ Coach: "Ihre Frau ist fremdgegangen? Vermutlich sind Sie so ein schlechter Liebhaber…?“
Klient: "Was soll ich dazu nur sagen?“ Coach: "Wenn Sie das jetzt noch nicht wissen, fällt es Ihnen sowieso nicht mehr ein.“ Klient: "Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun?“ Coach: "Nichts. Lassen Sie es. Es wird sowieso nicht funktionieren.“
All dies klingt – aus dem Zusammenhang gerissen – auf den ersten Blick verwirrend. Ein unbeteiligter Beobachter fragt sich vermutlich „Wie kann man das sagen? Das geht doch nicht“. Doch genau dies sind oft die Befürchtungen, die der Klient auch hat. Damit dies nicht zynisch wird, sondern zu befreiendem Lachen über sich selbst führen kann, sind die genannten Regeln wichtig.
Jede Art von Zitat bietet sich an. Manche passen zu fast jeder Gelegenheit, andere können auch erfunden werden und entsprechend ernst als allgemein gültige Lebensweisheit eingesetzt werden. Gespielt wird hier mit dem Autoritätsmuster oder es wird der Widerspruchsgeist erweckt, die Gedanken des Klienten werden ad absurdum geführt oder das Wirklichkeitsprinzip wird bedient.
Was Du auch tust, Du wirst es bereuen. (Sokrates) Im Alter bereut man vor allem die Sünden, die man nicht begangen hat. (William Somerset Maugham) Fleiß macht hässlich. (Oscar Wild) Auch das Denken schadet bisweilen der Gesundheit. (Aristoteles) Und wenn wir alt sind, merken wir, dass es zu spät ist, so zu leben. (Alexander Pope) Der einzige Mann, der wirklich nicht ohne Frauen leben kann, das ist der Frauenarzt. (Arthur Schopenhauer) Die unbequemste Art der Fortbewegung ist das in sich gehen. (Karl Rahner) Das Alter zerstört die Hässlichkeit. (Martin Walser)
Dein Klient kommt zur Tür herein, was ist dein erster Eindruck, dein erster Gedanke oder dein erstes Gefühl, wenn Du siehst wie er läuft, sich setzt und ihn sprechen hörst? Welches noch so abgedroschene Klischee fällt Dir ad hoc ein? Für den Anfang reicht das völlig. Mache noch ein paar Anleihen bei Weisheiten über Männer und Frauen, Tabu-Gedanken über die Themen Aggressivität und Sex und ein bisschen Psycho-Know-How, damit lassen sich hervorragend trancefördernde und Provokative Interventionen kreieren.
"Ein sprachlich fein zelebrierter Tabubruch ergibt eine Metapher die in V, A, K, O, G-Gegenden führt, die nie zuvor ein Mensch betreten hat." (M. Schmidt-Tanger)
Erlaube Dir pathetisches Mitleid, Begeisterung für die Symptomatik, Gähne vor Langeweile oder zeige die totale Hilf- und Ausweglosigkeit. Unterschwellig denkt dein Klient vielleicht auch so (gut gepaced) oder er erkennt eine völlig neue Sichtweise (gut reframed). Vertraue deinem Unbewussten, und lasse Dich auf die eigene Improvisationskunst und den Dir eigenen Humor ein. Nutze Ericksons Idee, an jedem Klienten auch zu wachsen und etwas Neues zu lernen. Trau Dir zu; einmal so richtig "reinzusauen", etwas zu riskieren.
Grundvoraussetzung für jede inhaltliche, Provokative Intervention ist die Beherrschung einer zurückhaltenden Prozessorientierung sowie eine sehr gute Wahrnehmungsfähigkeit. Der Coach darf nicht bestimmte Lösungen bevorzugen, d.h. er darf sich nicht emotional im Inhalt befinden. Alle Entscheidungen, die der Klient trifft, müssen dem Coach gleichgültig sein, im Sinne von, alle sind "gleich"-"gültig".
Der Coach darf keinen Zwang zur Provokation fühlen. Das bedeutet auch, das Bedürfnis provokativ zu arbeiten selbstkritisch zu hinterfragen. Die Provokative Veränderungsarbeit muss getragen sein von einem liebevollen Gefühl für den Coachee. Der Coach ist auf der Seite des Klienten und zusammen betrachten wir uns einmal den Quatsch, den er da so macht.
Das Neurolinguistische Programmieren als ein System der Prozess-Intervention kennt den Umgang mit dem Inhalt nur in Form des Milton-Modells, in der Arbeit mit Metaphern oder im Reframing. Um nicht wertend in den Inhalt einzugreifen, ist es notwendig, den Landkartengedanken vollständig zu akzeptieren, und man braucht die Fähigkeit, eine Position einzunehmen, ohne eine Wertung abzugeben.
Als Coach darf ich im Inhalt keine eigenen "Karten im Spiel" haben, da ich ansonsten nicht mehr inhaltsfrei arbeiten kann. Eine große Herausforderung an den Provokativen Coach ist die kontinuierliche innere Reframingarbeit, kunstvoll: "Inhaltsfrei arbeiten" heißt, frei mit den Inhalten umgehen können.Wichtige Merkmale des inhaltlichen Reframings:
"Wenn ich meine Katze allein lasse, fühle ich mich immer so schuldig. Ich gehe nie ohne sie."
Wenn Sie sich weiter mit dem Thema Provokatives Coaching beschäftigen möchten, können Sie sich hier weitere Informationen zu unserem Coaching Modul holen. Lassen Sie sich zum Provokativen Coach ausbilden.
Provokatives Coaching
Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind!
Dr. Eleonore Höfner beschreibt in ihrem Buch den Einsatz des Provokativen Stils in leicht lesbarer und vergnüglicher Form. Durch die zahlreichen kommentierten Fallbeispiele bekommt der Leser einen anschaulichen Einblick in diese ungewöhnliche Kommunikationsform, die zu schnellen Veränderungen führen kann. Ein Provokativer Coach hilft dabei, eine verzerrte Selbstwahrnehmung aufzulösen und die eigenen Potentiale und Möglichkeiten besser zu nutzen. Wer glauben oft, die anderen sind Schuld und erkennen nicht, dass wir selbst die Gestalter sind. Doch die Einsicht alleine hilft auch noch nicht viel weiter. Es braucht auch eine Gefühlsveränderung und dabei hilft Provokatives Coaching. 269 Seiten Carl Auer Verlag, 4 Auflage 2016 ISBN 384970128X E. Noni Höfner
Provokative Therapie
288 Seiten, Springer (2009) ISBN 3540166661 Frank Farrelly, Jeffrey M.Brandsma
Das wäre doch gelacht!: Humor und Provokation in der Therapie
272 Seiten, Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 4 (1. April 1997) ISBN 3499602318 Eleonore Höfner, Hans-Ulrich Schachtner
Provozieren erwünscht: Aber bitte mit Feingefühl
216 Seiten, Junfermannsche Verlagsbuchhandlung; Auflage: 1., Aufl. (1. Mai 2003) ISBN 3873875322 Frank Wartenweiler
Gekonnt Coachen: Präzision und Provokation im Coaching
176 Seiten, Junfermann Verlag; Auflage: 2 (11. November 2004) ISBN 3873875888 Martina Schmidt-Tanger
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