
Fakten zu Augenzugangshinweisen
Die Wissenschaft wird häufig an der Praxistauglichkeit ihrer Ergebnisse
gemessen. Um den Augenzugangshinweisen in dieser Richtung eine gewisse
Relevanz zu verleihen, hier einige Hintergründe aus der Forschung:
Das Modell der Augenzugangshinweise beansprucht keine allgemeine Gültigkeit.
Wie bereits erwähnt kann es bei Linkshändern durchaus seitenverkehrt sein,
und eventuell ist es im Einzelfall nicht zutreffend.
Wichtiger jedoch als die mechanische Anwendung des NLP–Augen–Modells
ist der Grundgedanke, der hinter diesem Modell steht: auf Augenbewegungen
bei anderen Menschen sorgsam zu achten und ihnen für innere Prozesse eine
systematische Bedeutung zu geben.
Für die Dichter sind die Augen die Fenster zur Seele. Für eine Gruppe von
modernen Neuropsychologen scheinen sie entsprechend als Fenster zur linken
und rechten Hirnhälfte. Im Rahmen seiner klinischen Untersuchungen (1964)
bemerkte der Psychologe M.E. Day, dass bestimmte Patienten bei der Beantwortung
von Fragen besonders oft nach rechts und andere wiederum besonders oft nach
links blickten. Auf der Grundlage von dieser und noch weiteren Forschungen nahm
Day an, dass die Richtung dieser bevorzugten seitlichen oder lateralen
Augenbewegungen (LEMs, von englischen lateral eye movements) mit bestimmten
Persönlichkeitsmerkmalen einer Person zusammenhängen.
Fünf Jahre nach M.E. Day veröffentlichte der Psychologe Paul Bakan von der
Simon Fraser Universität in Kanada Daten, die Days Überlegungen bestätigten.
Darüber hinaus stellte Bakan fest, dass die bevorzugte Augenbewegung auch
mit der Hemisphärenasymmetrie zusammenhängt. Bakans Hypothese begründet
sich auf der sehr gut erforschten Tatsache, dass die seitlichen Augenbewegungen
von Zentren, die im Frontallappen der jeweils contralateralen Hirnhemisphäre
liegen, kontrolliert werden. Er vermutete schon bald, dass kognitive Aktivitäten,
die vorrangig in nur einer der beiden Hirnhälften ablaufen, Augenbewegungen in
die entgegengesetzte Richtung auslösen und dass man diese Bewegungen daher auch
als Anzeichen der relativen Aktivität der Hemisphären einer Person ansehen kann
(das heißt: blickt eine Person bei einem bestimmten Denkprozess vermehrt nach
links, so ist das ein Hinweis darauf, dass er bei diesem Denkprozess die rechte
Hirnhälfte besonders stark benutzt).
Dementsprechend sind Menschen die oft bzw. in den meisten Situationen links
blicken, Personen, bei denen die rechte Gehirnhälfte dominiert. Bei rechts
blickenden Menschen deutet dies auf die bevorzugte Benutzung der linken Hirnhälfte
hin. Bakan betrachtete die Richtung der bevorzugten Augenbewegung als eine typische
Eigenschaft einer Persönlichkeit.
Gary Schwarz und seine Mitarbeiter von der Yale Universität (1975) haben die
lateralen Augenbewegungen bei der Beantwortung von Fragen zu Gefühlen untersucht.
Es wurden u.a. sprachlich-emotionale Fragen („welche Emotion ist für Sie stärker“)
und solche mit bildlich-emotionaler Vorstellung („wenn sie sich das Gesicht
ihres Vaters vorstellen, welche Gefühle empfinden Sie?“) benutzt. Das Ergebnis
zeigte in Übereinstimmung mit früheren Befunden, dass emotionale Fragen mehr LEMs
(Augenbewegungen) nach links auslösten. Die Tatsache, dass sich bei emotionalen
Aktivitäten eine stärkere Rechtshirnausprägung zeigt, konnte auch bei dieser
Untersuchung festgestellt werden. Im emotionalen Bereich zeigte sich, dass Personen
die krebskrank oder chronisch krank waren - in den meisten Fällen - eine vermehrt
aktive rechte Hirnhälfte aufwiesen. Links-Rechts-Augenbewegungen halfen die
Hirnhälften willentlich auszugleichen, was gleichbedeutend war mit einem verbesserten
mentalen (emotionalen) und körperlichen Zustand.
Anwendungsmöglichkeiten
Bei intensiver Forschung sind die Augenzugangshinweise durchaus von großem
praktischem Nutzen. Zunächst können die Augenbewegungen als ein äußerer
Indikator zur Erforschung der menschlichen Hirntätigkeit beitragen.
Deutlichere wissenschaftliche Ergebnisse auf diesem Gebiet würden vor allem
helfen, unser Denken besser zu strukturieren und zielgerichteter einzusetzen.
Ausgehend von genialen "Musterbeispielen" und der Analyse ihrer Denkmuster
könnten Konzepte zum zielgerichteten Einsetzen der Repräsentationssysteme
entwickelt werden.
Dieses System könnte ein ganz alltäglicher Bestandteil im Schulalltag sein.
Augenzugangshinweise könnten auf die Denkmuster der Schüler hinweisen.
Schülern mit Lernschwierigkeiten könnte man so ganz konkret aufzeigen, wo er
einen unangebrachten Denkansatz verwendet. Außerdem könnte man auf diese Weise
eine individuelle Lernstrategie konstruieren. Derartige Ansätze werden in der
aktuellen Gestaltung der Lehrpläne so gut wie gar nicht berücksichtigt.
Konzepte dieser Art werden sicher nicht nur Schülern helfen, sie sind darüber
hinaus auf alle gesellschaftlichen Gruppen vom Manager bis zum Fließbandarbeiter
übertragbar.
Man kann durch die Augenbewegungen erkennen, wie ein Mensch wahrnimmt. Durch die
Analyse individueller Wahrnehmungsmuster kann man seine Wahrnehmung sicher
effizienter und zielgerichteter einsetzen. Wenn es beispielsweise ein Musiker
schafft, während des Musizierens fast ausschließlich auditiv wahrzunehmen, werden
sich seine Leistungen erheblich verbessern lassen.
Augenzugangshinweise können da ansetzen, wo andere Möglichkeiten der Analyse
versagen. So kann man durch Augenzugangshinweise mehr vom Denken und Fühlen
schwerstbehinderter Menschen erfahren. Bei der klassischen Psychotherapie können
die Augenzugangshinweise dazu beitragen, Krankheitsbilder zu behandeln. Durchaus
denkbar wäre auch eine Anwendung dieses Wissens in der Sexualtherapie. Man könnte
damit erkennen, ob die Störungen durch eine Beeinträchtigung des Wahrnehmungsbildes
entstanden sind.
Einige Juristen kamen auf die Idee, die Augenbewegungen in der Kriminologie
anzuwenden und Täter anhand Ihrer Augenbewegungen zu entlarven oder zumindest
zu überprüfen, ob sie sich gerade erinnern oder einen Sachverhalt frei erfinden.
Soweit würde ich vielleicht nicht gehen, aber als Anhaltspunkt könnte diese
Unterscheidung doch sehr interessant sein.
Wir haben hier eine Fülle möglicher Anwendungsfelder für Augenzugangshinweise
aufgezeigt. Das suggeriert eventuell, dass dies von heute auf morgen ohne größere
Anstrengungen möglich sei. Um einer Realisation nahe zu kommen, wäre eine
engagiertere und aufwendigere Forschungsarbeit wünschenswert.
EXKURS: GEGENARGUMENTE GEGEN DIE AUGENZUGANGSHINWEISE
Auszug aus dem „Practitioner-Handbuch“ (=gelbe Seiten) von Klaus Grochowiak
Es gab einige Studien von Psychologen, die untersuchen sollten, ob es tatsächlich
AZH gibt oder nicht. Einige dieser Studien haben ergeben, dass es so etwas wie AZH
gar nicht gibt. Diese Studien haben einige systematische Untersuchungsfehler
gemacht und sind insofern für unsere Arbeit nicht weiter wichtig, da sie Dinge
widerlegt haben, die so gar nicht behauptet worden sind. Im folgenden möchte ich
auf viele Details der Theorie über AZH eingehen, die wichtig sind, um mit dieser
Theorie kompetent umzugehen; dabei werde ich auch auf die wesentlichen "Gegenargumente"
der oben genannten Studien eingehen.
Eine sehr wichtige Beobachtung, die man beim Befragen von Menschen machen kann,
ist die, dass man jemandem eine Frage stellt, die ein bestimmtes RS erfordert,
ohne dass der Gefragte tatsächlich in das entsprechende RS geht.
Beispiel: Erinnere dich an den Klang der Stimme Deiner Mutter.
Der Gefragte geht in Vk und nicht wie zu erwarten in Ae. Diese Beobachtungstatsache
wird häufig als Gegenargument gegen die AZH angeführt. Hier wird aber etwas widerlegt,
was so gar nicht von der Theorie behauptet wird. Die Theorie sagt nichts aus über
den Zusammenhang zwischen RS in der Frage und RS, das der Gefragte als erstes ansteuert.
Die Theorie sagt etwas darüber aus, was jemand im Inneren macht, wenn er nach
oben-links oder nach unten-rechts usw. schaut.
Die Gründe, warum Menschen das RS nicht direkt ansteuern, nach dem in der Frage
gefragt worden ist, sind vielfältig:
1. Das Lead-System ist ein anderes als das Repräsentations-System, nach dem gefragt
worden ist; d.h. viele Menschen können sich z.B. eine auditiv-erinnerte Information
nicht direkt zugänglich machen, sondern brauchen erst ein inneres Bild, bevor sie
die dazugehörige Stimme erinnern können. Diese Menschen hätten dann folgende Folge
von AZH: Vk - Ae.
2. Jemand kann auch auf eine Frage nach Ae auch mit einer Synästhesie Vk > Ae
antworten, so dass aber nur der visuelle Zugang von außen zu sehen ist; d.h. um
zu wissen, was jemand im Inneren macht, reichen die AZH nicht immer aus, aber auch
das behauptet die Theorie nicht.
3. Wenn jemand nach einer visuellen Erinnerung gefragt wird, dann geht er vielleicht
in den visuell-konstruierten Bereich. Dies bedeutet nicht, dass diese Menschen
unbedingt lügen, sondern es handelt sich entweder um eine dissoziierte Erinnerung
oder um eine Gestalterinnerung.
Dissoziierte Erinnerung: Unter einer dissoziierten Erinnerung versteht man
eine Erinnerung, bei der man sich selbst von außen sieht, so als ob man einen
Film sieht, der in der Situation von einem gemacht worden ist. Diese Art der
Erinnerung führt dazu, dass die kinästhetischen Informationen, die mit dieser
Erinnerung zusammenhängen, nicht mehr wahrgenommen werden. Insofern ist diese
Art der Erinnerung vorteilhaft, um über unangenehme Erinnerungen nachzudenken.
Bei dieser Art der Erinnerung ist es nicht sinnvoll, die Übung "Anker verschmelzen"
zu probieren, da dabei nicht die Gefühle und Körperempfindungen zu ankern sind,
um die es uns bei dieser Übung geht. Es wäre dann notwendig, den Klienten zuerst
durch Fragen in einen assoziierten Zustand zu bringen.
Gestalt-Erinnerung: Eine Gestalt-Erinnerung ist eine solche, bei der sehr viele
Erinnerungen an die gleiche Sache zu einer Gestalt zusammengefasst worden sind.
Viele Menschen erinnern das Gesicht eines sehr vertrauten Menschen häufig als
Gestalt; d.h. sie erinnern sich nicht an eine konkrete Situation, in der sie
die Person gesehen haben, sondern sie synthetisieren aus sehr vielen Situationen
ein prototypisches Bild, eine Gestalt.
Typisch für Gestalt-Wahrnehmung ist es auch, dass das Objekt vor einem monochromen
Hintergrund gesehen wird. Sozusagen außerhalb jedes konkreten Kontextes. Dies ist
auch typisch für die Vorstellung von Klassennamen. Jemand soll z.B. an "Baum"
denken, dann kann diese Person entweder einen konkreten Baum als Stellvertreter
für Baum denken, aber dann gibt es auch einen konkreten Hintergrund, in dem dieser
konkrete Baum tatsächlich steht. Der abstrakte Begriff "Baum" allerdings hat
keinen konkreten Hintergrund.
4. Ein anderer Grund, warum es häufig nicht so einfach ist, die AZH zu erkennen,
besteht darin, dass einige Menschen vorwiegend defokussieren, wenn sie visuell
erinnern oder konstruieren. Dies ist aber auch ein Zugangshinweis, allerdings
einer, bei dem man nur weiß, dass der andere etwas sieht, wir können nicht wissen,
ob es sich um ein konstruiertes oder erinnertes Bild handelt. Der Grund, warum
wir defokussieren (den Blick auf unendlich einstellen, Sehachsen sind parallel),
wenn wir einen visuellen Zugang haben, besteht unter anderem darin, dass wir die
äußeren Eindrücke dadurch undeutlich werden lassen, um die inneren Bilder besser
wahrnehmen zu können; z.B. beim Tagtraum. Um die inneren Bilder und Filme besser
wahrnehmen zu können, sehen viele Menschen auch auf den Fußboden bzw. auf eine
glatte Wand. Vor diesem Hintergrund sind die inneren Bilder dann deutlicher
wahrzunehmen. Desweiteren haben die inneren Bilder auch einen bestimmten natürlichen
Abstand. Daraus folgt, dass nur ganz bestimmte Menschen in der Lage sind, ihren
Gesprächspartner bei der Unterhaltung unentwegt anzusehen. Dies sind die Menschen,
die ihre Bilder ca. 20-30 cm vor sich sehen. Diese Menschen können ihre inneren
Bilder sozusagen zwischen sich und ihren Gesprächspartner schieben und sie
verändern nur unmerklich den Fokus, wenn sie ihr inneres Bild oder das Gesicht
ihres Gegenübers anschauen.
5. Des weiteren wurde bei den erwähnten Untersuchungen nicht immer klar unterschieden
zwischen den Augenbewegungen, die sich nach außen orientieren, und denen, die sich
auf einen inneren Suchprozess beziehen.
6. Häufig sieht man auch, dass Menschen, egal was man sie fragt, immer zuerst in das
selbe RS gehen. Viele Menschen beginnen immer mit Aid. Dies ist häufig nichts anderes,
als die Wiederholung der Frage. Oder jemand beginnt immer mit Vk, da sein Lead-System
visuell-konstruiert ist.