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Chinakurztripp von Stephan im Juni 2009

Stephan Landsiedel Nun war es also soweit, mein Flug nach China stand endlich an. Im Vorfeld hatte alles gut geklappt. Ein chinesischer Professor, der einige Jahre in Deutschland studiert hat, hatte mich zum Kennenlernen eingeladen. Unser Ziel: NLP-Ausbildungen in China anzubieten. Das Visum hatte ich mir übers Internet besorgt. Kein Problem - nur lästiges Forumlarausfüllen. Nach der Einladung hatte ich als erstes im Internet die Verfügbarkeit von Flügen nach China überprüft und ich war überrascht, dass man schon ab 350,- EUR dorthin und zurück fliegen konnte.
Am Samstag den 06.06.2009 gings vom Frankfurter Flughafen aus los. Ich war früh da - keine Lust auf Stress. Mein Flug ging abends um 20.00 Uhr - Direktflug nach Peking. China ist in der Sommerzeit sechs Stunden voraus. Plus die 10 Stunden Flug kam ich also etwas nach 12.00 Uhr vormittags am Sonntag in Peking an. Bereits im Flugzeug wurden alle Passagiere zweimal mit Infrarotlicht auf eine Temperaturerhöhung gecheckt. Ja klar, die Schweinegrippe war ja in vollem Gange und ein so bevölkerungsreiches Land wie China traf gründliche Vorbereitungen. Das gleiche Szenario wiederholte sich am Flughaften und die Gesundheitsprüfungen dort kosteten mehr als eine Stunde Wartezeit. Endlich war ich durch und stand mit Gepäck draußen auf dem Flughafen. Ich wartete auf meinen Gastgeber. Doch er war nicht da. Ich schaute mich um - lauter chinesische Gesichter. Mich nun doch nicht so ganz auf meine Kalibrierungsfähigkeiten verlassend, holte ich einen schwarz-weißen Bildausdruck aus meinem Rucksack. Vorsorglich hatte ich sein Bild aus dem Internet ausgedruckt. Wir hatten kein Erkennungsmerkmal vereinbart. Die Hotelbuchung hatte er vorgenommen und den Weg vom Olympia-Flughafen in die Stadt hatte ich mir auch nicht genau angesehen.
Doch dann kam er. Locker begrüßen wir uns und gingen zu seinem Auto, mit dem wir die ca. 45 Minuten nach Peking fuhren. Ein erstes vorsichtiges Gespräch entwickelte sich. Wir fuhren zum Hotel. Dort hatte ich etwas Zeit zum Duschen - was ich mir nach der Nacht im Flugzeug auch sehnlichst wünschte. Dann machten wir eine kleine Stadtrundfahrt und unterhielten uns dabei im Auto. Überall gab es nur Hochhäuser. Während meinem Aufenthalt in Peking habe ich kein einziges einstöckiges Haus gesehen. Unendlich viele Autos fuhren auf den Straßen. Aber entgegen einigen Reiseführern, die im Flugzeug gelesen hatte, war der Himmel wennauch etwas bewölkt zu erkennen. Er erklärte mir, dass man je nach Autokennzeichen an bestimmten Tagen in der Woche nicht mit diesem Auto fahren darf. So müssen immer zwei Endziffern am Montag aussetzen. Am Dienstag sind es dann zwei andere.
Zum Abendessen hatte er seine Familie und einige Freunde in den "Goldenen Hans" eingeladen. Die Chinesen waren etwas enttäuscht, als ich Ihnen sagte, dass ich kein Bier trinken würde. Sie liebten das deutsche Bier. Es war sehr faszinierend, die Chinesen essen zu sehen. Sie stellen alle Gerichte in die Mitte des Tisches und jeder bedient sich dann mit seinen Stäbchen und holt sich ein paar Bissen in seine Schale. Im "Goldenen Hans" gab es Büffet an diesem Abend und eine Sängerin sang. Der Sohn von seiner Freundin war auch dabei - ein sehr braver Junge, mit dem ich mich gleich auf Englisch etwas anfreundete. Er hatte ein Buch über Go dabei. Go, das ist ein japanisches Brettspiel, das ich selbst früher gespielt habe. Doch ich wurde eines anderen belehrt. Go käme ursprünglich aus China und wurde von den Japanern geklaut und nun denkt alle Welt bis auf die Chinesen, dass es aus Japan käme. An diesem Abend lernte ich zwei weitere chinesische Trainer kennen. Einer von ihnen arbeitet auch für die größte Manager-Zeitung in China - sie hat 300.000 Abonennten. Er fand es wenig - ich fand es erstaunlich. Gerne wäre er bereit, einen Artikel von mir zu veröffentlichen, wenn ich ihm eine englische Vorlage liefern könnte. Unsere Gespräch fand auf Englisch statt und fasziniert haben wir uns mehrere Stunden unterhalten. Er war es auch, der mich abends zurück ins Hotel brachte.

Am nächsten Tag gab es Frühstück im Hotel. Ich war nicht schlecht überrascht, als ich dort ein Büffet mit Gemüse, Reis, Nudeln und ähnlichem vorfand. In einer Ecke standen eingepackt zwei Scheiben Toast und ein winziges Schälchen mit Marmelade - vielleicht für Europäer, die sich verirrt hatten. Direkt nachdem ich auftauchte, wurde mir westliches Besteck gebracht. In dem Hotel und in der Stadt habe ich während meinem gesamten Aufenthalt keinen einzigen Nicht-Asiaten gesehen. Um 9.00 Uhr wartete mein Gastgeber schon in der Lobby und wieder ging es durch die Straßen von Peking - diesmal zu einem geschäftlichen Termin. Nach halbstündiger Fahrt erreichen wir einen Businesskomplex und fuhren mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock eines Hochhauses. Dort staunte ich nicht schlecht als ich einen Raum mit ca. 40 Quadratmetern Fläche betrat. Da waren in fein säuberlich abgetrennten Boxen mehr als 20 Chinesen am arbeiten. Die Boxen umfassten vielleicht einen Quadratmeter und waren an einer Seite geöffnet, so dass man dort seinen Arbeitsplatz betreten konnte. Als ich zur Tür hereintrat, schauten zwanzig Chinesen aus ihren Boxen heraus, was da wohl vor sicht ginge. Der Geschäftsführer dieser Firma begrüßte uns sehr freundlich und wir betraten sein Büro. Nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten erzählte er mir von seiner Firma. Diese Firma ermittelt den Trainingsbedarf von großen Firmen und vermittelt dann die Trainer. Mein Gastgeber hatte mich ein wenig auf der Hinfahrt instruiert und gesagt, dass ich unbedingt meine Erfahrungen aus der Automobilbranche in Deutschland hervorheben solle. Das tat ich dann auch und bekam prompt kurz darauf mein erstes chinesisches Fachbuch mit einem Autogramm geschenkt. Leider hatte ich das einzige Exemplar von meinem Buch, das ich mit den Flieger genommen hatte, bereits an meinen Gastgeber verschickt. Nun, so ganz unbekannt waren mir die Inhalte des Buches nicht, denn ich konnte gleich die SMART-Ziele Formel wiedererkennen und noch einige andere Graphiken deuteten darauf hin, dass es sich wohl um ein Werk über Kommunikation und NLP handelt. Genaueres wird mir sicher die Zukunft enthüllen. Die Chinesen sind ganz heiß auf deutsche Trainer der Automobil- und der Telekommunikationsbranche in ihr Land zu holen. Am liebsten hätten sie mich gleich da behalten, damit ich Trainings für sie machen. Als es Mittagszeit wurde, unterbrachen wir das geschäftliche Gespräch und er führte mich in die Kantine. Ein wunderschönes Restaurant im Erdgeschoß des Hauses. Dieser Unternehmer entschuldigte sich bei mir, dass es so stark regnete, sonst hätte er mich in Pekings berühmtestes Restaurant mit der Spezialität Peking Ente eingeladen. Gerne würde er das bei meinem nächsten Besuch nachholen. Im Restaurant bestellte er einige Gerichte. Dann ging es los. Ich hielt die Vorspeisen fürs Hauptgericht und aß munter drauf los. Meine Stäbchen-Technik war inzwischen halbwegs passabel, aber doch noch etwas langsam. Dann wurden die Diener gerufen und sie schnitten vor unseren Augen eine Peking-Ente zurecht. Nach und nach kamen immer mehr Gerichte. Irgendwann reichte unser Tisch nicht mehr. Dann wurden die Nachbartische in Beschlag genommen. Bald konnte ich nicht mehr und wurde gefragt, ob es mir denn nicht schmecken würde. In China ist es ein Zeichen von guter Gastfreundschaft, dem Gast sehr reichhaltig zu bewirten. Während dem Essen sprachen wir über Privates, u.a. über Sport. Daraufhin meinte er, er müsste mir etwas zeigen. Kaum waren wir wieder nach dem Essen in seinem Büro, begann er sich die Schuhe und dann die Hose auszuziehen. "Er müsse mir etwas zeigen!" erinnerte ich mich. Aber was passiert jetzt? Dann klärte es sich auf. Er ging zu einem Schrank und zog eine kurze Sporthose an. Dazu ein paar Turnschuhe und dann zeigte er mir einen Gegenstand, den ich bis dahin noch nicht gesehen hatte. Es war ein Gewicht wie eine Münze und daran befestigt eine Feder. Er warf diesen Gegenstand in die Luft und kickte ihn dann mit seiner Fußinnenseite wieder nach oben. Manchmal nahm er auch das Knie. Es sah so ähnlich aus, wie wenn man einen Fußball in der Luft hält. Er sei viel auf Reisen und so könne er sich auch im Hotelzimmer fit halten. Dann war ich dran und gab mir größte Mühe das Ding wenigsten ein paar Mal in der Luft zu halten. Anschließend ging er zum Schrank und schenkte mir ein selbstgemachtes Sportgerät dieser Art. Nun das muss man den Chinesen lassen: Mir gegenüber verstanden sie sich äußerst gut darauf, Rapport herzustellen. Als das Gespräch zu Ende war, verabschiedeten wir uns höflich. Ich wurde zurück zum Hotel gefahren und wir machten noch etwas Business-Pläne für die Erschließlung des chinesischen Marktes mit NLP.
Am Abend hatte ich etwas Zeit ohne Programm. Da es stark regnete wollte ich nicht so viel unternehmen und lieft einfach ein wenig durch das Stadtviertel. Nach ein paar Minuten habe ich die Hauptstraße verlassen und lief durch ein paar Gassen. Und plötzlich sah ich, die krassesten Gegensätze von reich und arm. Baufällig, schmutzig, heruntergekommen waren die Gebäude. Der Müll lag auf der Straße. Jeden Moment erwartete ich, dass mich ein Bettler ansprechen würde, aber die Menschen waren genauso überrascht, mich hier zu sehen, wie ich sie zu sehen. Dann wurde der Regen stärker und ich ging zurück ins Hotel. China hat eine ganze andere Bevölkerungsdimension: 1.3 Millarden Chinesen soll es geben, 11 Mio alleine leben in Peking. Es gibt ein sehr großes Gefälle zwischen Arm und Reich. Die Regierung hat Ende der siebziger Jahre das Bevölkerungsproblem durch die Ein-Kind-Politik in den Griff bekommen wollen, doch das bringt heute einige Probleme mit sich. Es gibt wesentlich mehr Jungen als Mädchen und die jungen Männer finden nicht genügend Frauen, um sie zu heiraten.

Am Dienstagmorgen wachte ich voller Tatendrang auf. Wir hatten uns etwas außerhalb der Stadt verabredet, wollten einen Geschäftstermin wahrnehmen und dann etwas Sightseeing machen. Da mein Professor an diesem Tag von dem Fahrverbot betroffen war, hatte er mir auf einen Zettel geschrieben, wo mich der Taxifahrer hinbringen sollte. Ich war etwas zu früh da und wartete. Doch nicht der Professor kam, sondern eine Studentin von ihm - eine Psychologin, die mich auch gleich fand. Ihm war ein Termin dazwischen gekommen, er habe sie gestern abend angerufen und sie sei über 100 km gereist, um mich heute herumzuführen. Wir verstanden uns auf Anhieb prächtig und in Englisch ging es ganz gut. Wir beschlossen zur chinesischen Mauer zu fahren. Sie selbst hatte sie vor mehr als 10 Jahren zum letzten Mal gesehen. Über 1 Stunde warteten wir auf einen Bus. Dabei lernte ich einen Vater kennen, der gerade seinen Sohn abgeholt hatte und mit ihm zurück nach Hause wollte. In den Tagen davor, war die große Aufnahmeprüfung für die Universitäten des Landes. Nur wer bei der diesen Prüfung gut abschnitt, war das Tor zur höheren Bildung geöffnet. Dafür büffeln die Chinesen wie die verrückten. An diesem Tag entscheidet sich alles. Der Druck ist sehr hoch und manche nehmen sich das Leben, wenn sie diese Prüfung nicht schaffen. Die Chinesen verlieren nicht gerne das Gesicht. Sie sind sehr leistungsorientiert. In Spiral Dynamics-Begriffen würde man sagen: Sie sind tief orange - materiell orientiert momentan. Nachdem wir so lange dort gestanden hatten, sprach uns ein anderer Mann an. Meine Begleiterin verhandelte länger mit ihm, dann signalisierte sie mir, mitzukommen. Wir stiegen zu diesem Mann ins Auto. Er würde für diesen Tag unser Taxifahrer sein. Er fragte auf Chinesich, ob wir außer der Mauer noch etwas anderes sehen wollten und so wurde daraus ein wunderbarer Tagesauflug. Als erstes fuhr er uns zu einer Art von historischem Museum, das auf dem Weg lag und in dem die chinesische Geschichte in lebensgroßen Szenen dreidimensional dargestellt war. Ich hatte während dem Flug auch einige Seite über chinesische Geschichte gelesen und konnte so viele Szenen gleich zu ordnen. Meine Begleiterin war verblüfft, weil sie sich an manchen Stellen weniger gut auskannte. Diese Erfahrungen sollte sich immer wieder wiederholen. Die Chinesen sind stolz darauf, eines der ältesten Völker auf diesem Planeten zu sein. Sie blicken zurück auf eine 5.000 Jahre alte Geschichte und Kultur. Aber sie wissen kaum etwas darüber. Abends traf ich einen Geschichtsprofessor und ich hat die Lebenszeit Konfuzius weniger genau einschätzen können als ich und wir reden hier von einer Diskrepanz von über 500 Jahren. Vielleicht ist die chinesische Geschichte einfach zu lang, als dass sich die Chinesen so genau daran erinnern könnten.
Wir fuhren weiter zu einer alten chinesischen Stadt. So kennt man China aus den Martial-Arts-Filmen. Die Häuser haben diese typischen Dächer. Ich sah ein Haus mit roten Laternen und prompt folgte die Erklärung, dass hier sich früher die Männer vergnügten - mitten in der Stadt. Darauf sah ich ein Herrenhaus, das von hohen Mauern eingezäunt war. Eine zweite Mauer war um das Grundstück gezogen. Ich erfuhr, dass die Frauen früher nur bis zur ersten Tür durften. Heute sind Männer und Frauen so ziemlich gleichberechtigt in der Stadt. Auch Frauen können Unternehmen aufbauen und in Führungsrollen kommen. In der Partei sind allerdings noch die Männer deutlich in der Mehrzahl.
Nach diesem Ausflug in die "alte Stadt" fuhren wir weiter zur chinesischen Mauer. Der Aufstieg und später der Abstieg war schon eine echte körperliche Herausforderung. Drei Stunden stiegen wir auf der Mauen steil bergan. Überall sind dort Treppenstufen, damit man den Berg bewältigen kann. Viele Touristen laufen dort herum. In Europa hätte man längst einen Lift gebaut. Später am Nachmittag als wir sehr weit oben waren, war plötzlich niemand anderes mehr da. Ich habe hoch oben über die Berggipfel geblickt. Es war ein mysthisches Erlebnis. Allein für diesen Moment hat sich diese gigantisch weite Reise gelohnt. In der Ferne sieht man die "weiße Stadt" mit ihren vielen Hochhäusern. Aber sie ist so weit weg und hier blickt man so weit ins Tal. Dieser Ort lädt ein, persönliche Probleme und Sorgen zu vergessen und stattdessen einen weiteren Blick einzunehmen auf den Sinn des Seins. Ich habe mich lange mit meiner Begleiterin unterhalten über den Sinn des Seins für die Chinesen, über Buddha und Jesus, über Spiritualität und Globalisierung.
Inzwischen hatte sich auch der Professor wieder gemeldet und uns zum Abendessen in die Nähe der Uni beordert. Unser Taximann hatte brav gewartet. Als er das neue Fahrziel erfuhr gab es eine heftige Diskussion, die mir die Chinesin an meiner Seite aber nicht übersetzte. Sie sagte nur, dass er mehr Geld wolle. Ich fand, das war sein gutes Recht, denn der neue Ort war weiter als der ursprüngliche, aber ich mischte mich nicht ein. Als wir am Ziel angekommen waren, gab dem Fahrer ein sehr großzügiges Trinkgeld. Meine Begleiterin wies mich darauf hin, dass es nicht üblich sei. Der Fahrer hatte schon das Wechselgeld herausgesucht, aber ich fand, dass er es verdient hatte. Ich erklärte meiner Belgeiterin, dass ich einen großartigen Tag hatte - und für sie war es auch großartiger Tag, wie sie mir versicherte - also sagte ich, solle auch er einen großartigen Tag haben. Seine Freude war echt und herzlich und ich malte mir aus, was seine Frau und die Kinder sagen würden. Beim Abendessen lernte ich besagten chinesichen Geschichtsprofessor kennen. Diesmal war das Mahl nicht ganz so übig. Es war ein Ort in der Nähe der Universität, an dem sonst die Studenten zu essen pflegen. Aber mir war es recht. Danach stromerte ich noch etwas durch die Stadt, ehe ich mir ein Taxi nahm und ins Hotel fuhr.

Am nächsten morgen holten mich der Professor und die Psychologin ab. Sie hatten mir noch einmal Lebewohl sagen wollen und mir Briefmarken für die Postkarte an meine Tochter besorgt. Ich war gerührt. Dann fuhr mich der Professor zum Flughafen und ich flog zurück nach Frankfurt. Auf dem Flug lernte ich Juan kennen, eine Chinesin, die mit ihrem Mann ganz in der Nähe von Würzburg lebt und geschäftlich in China unterwegs war. So verging die Reise wie im Flug.



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